Full text: Genie- und Pionnierwesen (Heft 59)

Sprengtechnik. 14 
Das „Dynamit“, deffen höchft explofiblen Beftandtheil das Nitroglycerin 
bildet, ift in der Befchaffenheit, wie es anfänglich im Handel vorkam, eine Erfin- 
dung .des fchwedifchen Ingenieurs Alfred Nobel. 
Die Darftellung von grofsen Mengen Nitroglycerins, feit dem Jahre 1864 
auch unter den Namen Nobel’fches Sprengöl bekannt, gefchieht nach einer vom 
genannten Ingenieur erfundenen Methode, welche Fabriksgeheimnifs ift. 
Im Allgemeinen wird das Nitroglycerin aus Glycerin, durch eigenthümliche 
Behandlung desfelben mit einem Gemifche* von Salpeter und Schwefelfäure 
erhalten. Es ift eine ölige, blafsgelbe Flüffigkeit, welche durch Wafchen mit einer 
bafıfchen Salzlöfung vollftändig entfäuert werden mufs, um verfendet oder längere 
Zeit aufbewahrt werden zu können. 
Vollkommen entfäuertes Nitroglycerin bleibt Jahre hindurch unverändert, 
und ift bis jetzt, wenigftens beim Nobel’fchen Sprengöl, noch keine Selbftzer- 
fetzung nachgewiefen worden. Die vielen Unglücksfälle, welche das Sprengöl bis- 
her verurfachte, hatten ihren Grund hauptfächlich in dem Ausrinnen des Oeles 
aus den Verpackungsgefäfsen. Nobel hat daher, um für den Transport die Gefahren 
des flüfigen Sprengpräparates möglichft zu befeitigen, zuerft verfucht, diefs durch 
Methylifirung des Nitroglycerins zu erreichen, indem er dasfelbe in einer Mifchung 
von I5 bis 20 Percent Methylalkohol (Holzgeift) löfte und auf diefe Art das 
unexplofible Sprengöl erhielt. Bei der Verwendung diefes unexplofiblen Präparates 
mufste zuerft in einem Gefäfse die entfprechende Menge davon mit dem fechs- 
bis achtfachen Volumen Waffer behandelt werden, wobei fich das reine Nitro- 
glycerin ausfchied, und abgelaffen wurde. 
Allein die Erfahrung lehrte, dafs felbft diefes Mittel nicht genüge, die 
Gefährlichkeit des flüffigen Sprengöles vollkommen zu befeitigen. DieFolge davon 
war die geringe Verwendung des Nitroglycerins in der Sprengtechnik, und das- 
(elbe hätte wahrfcheinlich keine Zukunft gehabt, wenn Nobel nicht im Jahre 1867 
dahin gelangt wäre, durch innige mechanifche Mengung des Nitroglycerins mit 
Kiefelguhr (aus einer löslichen Kiefelerde beftehende Diatomaceen-Hüllen von 
capillarer Befchaffenheit) das „Dynamit“ darzuftellen. 
Es ift eben das Verdienft Nobel’s durch Beigabe von Kiefelguhr, welche 
ein fehr grofses Flüffigkeits-Auffaugungsvermögen befitzt, das Nitroglycerin in 
eine Form übergeführt zu haben, in der es leicht verarbeitet und verwendet 
werden kann. Die Beigabe von Kiefelguhr fichert auch bei jeder Verpackungs- 
weife den einzelnen Nitroglycerin-Theilchen eine genügende Verfchiebbarkeit, 
um felbft fehr heftige mechanifche Erfchütterungen ertragen zu können, ohne 
zu explodiren, da in diefem Präparate jedes Nitroglycerin-Tröpfchen in einer von 
den capillaren Kiefelpanzern gebildeten elaftifchen Hülle eingefchloffen erfcheint. 
Das Hauptverdienft Nobel’s befteht aber in der Erfindung, wonach unge- 
frorene Ladungen feines Präparates nur durch Anwendung von kleinen Mengen 
eines ftarken Knallpräparates, wie z. B. des Knallqueckfilbers, mit Sicherheit und 
Leichtigkeit zur Explofion gebracht werden können; jedoch unter der Voraus- 
fetzung, dafs die das Knallqueckfilber enthaltende Kapfel, „Nobel’sSprengkapfel“, 
in unmittelbarer Berührung mit dem Dynamit zur Explofion gebracht wird. 
Ohne diefe Erfindung wäre es eigentlich unmöglich, das Nitroglycerin in 
der Sprengtechnik anzuwenden, und ohne diefelbe wäre es Dr. Brocon nicht 
gelungen, die volle Kraftentwicklung der comprimirten Schiefswolle zu erzielen. 
Die ungeheure Zerftörungskraft, welche das Dynamit befitzt, erregte in 
Oefterreich umfomehr die Aufmerkfamkeit des beftandenen k. k. Genie-Comites, 
als bis zu jener Zeit gerade die militärifch wichtigften Objedte der neueren Bau- 
kunft, die eifernen Brücken, völlig unverwundbar oder nur fehr fchwer zerftörbar 
waren, es daher immer mehr wünfchenswerth wurde, ein brifanteres Spreng- 
präparat als das Schwarzpulver für Sprengungen im Kriege zu erlangen. 
Reichs Kriegsminifter Feldzeugmeifter Baron Kuhn, die Wichtigkeit und 
Nothwendigkeit eines kräftigen Präparates für die Ausrüftung der technifchen 
      
   
  
  
  
  
  
  
   
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
  
  
  
  
  
   
  
  
  
  
  
  
  
  
   
  
 
	        
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