Full text: Militär-Sanität und freiwillige Hilfe im Kriege (Heft 54)

  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
  
  
   
  
  
   
  
   
  
  
  
  
  
  
  
  
   
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
   
  
  
  
   
  
  
  
  
  
  
  
   
   
    
  
     
30 Dr. Mofetig von Moorhof. 
Wer je Gelegenheit hatte, eine längere Strecke in einem gewöhnlichen 
Güterwagen zu fahren, der wird zugeben müffen, dafs der Aufenthalt für Verwun- 
dete, dortfelbft wenn fie auf dem Boden liegen, durch die fortwährende Erfchüt- 
terung ganz unerträglich ift, und gerade dieSchwerverwundeten trifft diefes harte 
Loos, denn die Leichtverwundeten und die Sitzenkönnenden benützen ja die 
Perfonenwagen. 
Nicht als ob ein eigens nur zum Bleffirtentransporte gebautes Materiale, 
etwa gleich den Bleffirtenwagen oder den Tragbahren gebaut werden müfste, 
denn welche Eifenbahn-Gefellfchaft oder welcher Staat könnte und möchte die 
enormen Koften tragen, um ein todtes Capital zu befitzen, welches nicht nur 
keine Zinfen trägt, fondern welches auch vielleicht, ohne je gedient zu haben, zu 
Grunde geht. Es mufs beftehendes thätiges Wagenmateriale benützt werden, nur 
mufs es zum Bleffirtentransporte eigens eingerichtet werden, und von Haus aus fo 
befchaffen fein, dafs es fich zum Zwecke eigne. Und diefs ift wohl nicht fchwer zu 
erreichen, denn der Wagenpark jeder Eifenbahn confumirt fich ja fortwährend und 
mufs durch neues erfetzt werden ; beim neuzuerbauenden könnte und müfste aber auf 
diefe Eventualität Rückficht genommen werden, ohne dafs die Brauchbarkeit für 
den gewöhnlichen Betrieb darunter leide oder befondere Koften hiefür erwachfen. 
Es wäre wahrlich an der Zeit, dafs fämmtliche Eifenbahn-Gefellfchaften, wefs 
Namens und Landes fie auch fein mögen, mit diefem Gedanken fich vertraut 
machen würden, und bei Zeiten für etwaige Kriegsereigniffe fich vorbereiten 
möchten, indem bei der jetzigen politifchen Lage der Dinge kein Staat der Welt die 
Möglichkeit deren Eintreffens weder vorausfehen noch leugnen kann. 
Wie oben erwähnt, gebührt Amerika das Verdienft, im letzten Kriege 
zwifchen den Nord- und den Südftaaten 18063 zuerft gezeigt zu haben, dafs und 
wie man das beftehende Materiale zu einem zweckentfprechenden Bleffirtentrans- 
porte im Grofsen herrichten müffe und zwar durch Dr. Harris in New-York, 
membre of the sanitary commiffion. Preufsen folgte dem Beifpiele und der Director 
der grofsen Eifenbahn-Fabrik in Berlin Herr Unruh begann auf Anregung der 
ProfefforenEsmarch und Virchow die neuzuerbauenden Wagen IV. Claffe fo 
einzurichten, dafs fie im Kriege als Hofpitalwagen fungiren könnten und war es 
auch Virchow, der im deutfch-franzöfifchen Kriege 1870 zuerft mit einem 
geordneten Hofpitalzuge von Berlin zum Kriegsfchauplatze fuhr, dann erft folgten 
Baiern, Baden und Württemberg dem fchönen Beifpiele. 
In Frankreich hat der um das Militär-Sanitätswefen fo vielverdiente Profeffor 
Mundy fich der Sache angenommen, und mit Beihilfe des Directors einer grofsen 
franzöfifchen Eifenbahnwaggon-Fabrik Herrn Carl Bonnefond und des Eifen- 
bahningenieurs Leon das Modell eines Eifenbahn-Materiales geliefert, welches 
nicht nur allen Anforderungen entfpricht, indem es ebenfo im Frieden zum 
gewöhnlichen Betriebe als auch im Kriege zum Verwundetentransporte zu dienen 
vermag, fondern auch das Vollkommenfte und Vorzüglichfte darftellt, was bis nun 
in diefem Fache geleiftet worden ift. 
Man wende nicht ein, dafs die eigens hergerichteten Lazarethzüge nicht 
zum Schlachtfelde fahren könnten, ‘da alle Geleife dahin mit Truppentransports, 
Proviant-, Munitions- und anderen Zügen verlegt wären und dafs daher die erften 
beften eben dort befindlichen, eben geleerten und gar nicht ad hoc hergerichteten 
Nagen, welcher Gattung immer zur Evacuation des Schlachtfeldes verwendet 
werden müffen, es wäre diefs die gleiche unlogifche und müffige Einwendung, der 
ich fchon im Capitel über Bleffirtenwagen entgegengetreten bin. Gleich wie auf 
den landesüblichen Wagen werden in künftigen Zeiten auch noch viele Bleffirte 
gleich Waarenballen in dumpfigen und fchmutzigen Güterwagen, die vielleicht 
früher Pferden und Schlachtthieren gedient hatten, auf Stroh gelagert, ohne Ver- 
band, hungernd und durftend, halbgefroren oder bratend, ohne entfprechende 
Zufuhr vonLicht und Luft fortgefchleppt werden; wurden ja von Paris aus bis tiet 
in den deutfchen Norden zur Winterszeit Verwundete auf offenen Karren gefahren 
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