Full text: Kirchliche Kunst (Heft 19)

  
Hans Petfchnig. 
In der amerikanifchen Abtheilung trafen wir aufPhotographien von Kirchen, 
in welchen die englifch-gothifche Architektur beibehalten und meift in Rohbau 
aufgeführt ift. Ein Zeichen auch hier, wie Amerika vertraut mit dem Leben und 
Geifte des Mutterlandes ift, das es gründete und dann bevölkerte. Wir haben 
diefen englifch-deutfchen Geift und Charakter auch in anderen Richtungen der 
Induftrie und Kunft wahrgenommen. 
Vor der Südfront des Induftriepalaftes weftlich gelegen, nahm ein gothi- 
{ches Bauwerk unfere volle Aufmerkfamkeit in Anfpruch. Es war diefs der Ueber- 
bau eines Grabmales; die Tumba durfte auf ausdrücklichen Befehl des Herrn 
Generaldirectors nicht aufgeftellt werden, wodurch diefer Bau dem Publicum im 
Allgemeinen unverftändlich geworden ift. 
Eine Stufenanlage bildete den Unterbau; der Aufbau felbft wurde von fechs 
Säulen getragen, in deffen mit fteilen Giebeln abgefchloffenem Hauptdach fich vier 
Giebel, die fich über die fpitzbogigen Oeffnungen erhoben, einfchnitten. 
Die fechs gefchliffenen Säulenfchäfte waren aus prachtvollem Rofagranit, 
der aus Sachfen herbeigefchafft wurde, angefertigt, Bafen und Capitäle, Figuren 
und Ornamente, Dach und Giebel, die Rippen des inneren Gewölbes etc. waren 
harter, feinkörniger Sandftein. 
Diefes für jeden Fachmann fehr beachtungswerthe Werk ift aus der Stein- 
metz-Werkftätte des Herrn Baurathes Anton Wafferburger in Wien hervor- 
gegangen undeigens für die Weltausftellung angefertigt worden. Es gab Zeugnifs 
von der Vorzüglichkeit der Steinmetzarbeiten auf dem Wiener Platze und zeigte 
eine befondere Reinheit der Arbeit fowohl in den Werkftücken, als auch in der 
reichen bildnerifchen Ausfchmückung. 
Ebenbürtig reihte fich die für die neuerbaute Fünfhaufer Kirche beftimmte, 
freiftehende Kanzel aus Sandftein, welche an der Oftfeite der Rotunde aufgeftellt 
war, an. 
Originell erfunden, mit intereffantem Steinfchnitte an der freiftehenden 
Stiege, vorzüglich ausgeführt, fowohl in dem figuralen als ornamentalen Theile 
gehörte diefes Objedt der kirchlichen Architektur mit zu den beften, was die Aus- 
ftellung zeigte, und wird immer ein Kunftfchmuck der neuen Kirche bleiben. 
Der Schalldeckel, aus gefchnitztem Eichenholz, und das Stiegengitter, aus 
Metall vorzüglich gearbeitet, zeigten die Eigenthümlichkeit des Materiales. Der 
Bildhauer Schönthaler hat in diefem Werke gezeigt, welches Verftändnifs für 
ftiliftifche Formen mit Rückficht auf das Materiale in den Ateliers der Wiener 
Bildhauer zu finden it. 
Man kann diefes Werk als muftergiltig für die gothifche Architektur anfehen. 
Eine bedeutende architektonifche Arbeit in der Rotunde war weiter der 
metallene Auffatz auf dem Walm eines fteilen, gothifchen Kirchendaches. Er ift 
von Saeger, Bildhauer in Paris, entworfen und modellirt; reich mit Ornamenten 
und Figuren in Blei und Kupfer getrieben und zeigte jene charakteriftifchen 
Formen, welche man als franzöfifche Gothik insbefondere bezeichnet. 
Ebenfalls in der Rotunde ftand der Aufbau einer Kanzel aus Eichenholz 
der Gebrüder Goyers aus Louvain in Belgien. 
Reich ornamentirt, mit figuralifchem Schmuck belebt, fchlank aufgebaut, 
von fehr wohlthuenden Verhältniffen, in ausgefuchtem Eichenholze fleifsig und 
flott gearbeitet, verdiente diefe Kanzel umfomehr Anerkennung, als Belgien gerade 
in diefer Beziehung mitunter fehr unglücklich ftilifirte Arbeiten aufzuweifen hatte, 
die feltfam contraftiren mit den reichen, mittelalterlichen Bauten, welche die Städte 
Belgiens in grofser Anzahl fchmücken. 
An diefe grofsen Werke der Architektur reihten fich als Bauten noch die 
Altäre an. Leider waren aber diefelben im Ganzen nicht ftark vertreten. 
Eduard Stehlik aus Krakau hatte in der Gallerie für Glasgemälde einen 
{pätgothifchen Altar aus feinkörnigem Sandftein ausgeftellt. Derfelbe war von guter 
    
  
  
  
  
  
  
   
  
  
   
   
  
  
  
  
  
  
  
  
   
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
  
  
   
   
  
   
  
   
  
    
    
  
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