Jofef Langl.
\ege kann die Plaftik in der gegenwärtigen Weltftrömung zu den Tıiumphen
gelangen, die ihren fchmiegfameren Schwefterkünften bis jetzt viel näher lagen.
Die deutfche Sculptur.
Es mufste jeden Freund der Kunft befremden, dafs die deutfche Sculptur
auf der Wiener Weltausftellung fo lückenhaft, ja man könnte den Franzofen gegen-
über fagen — armfelig vertreten war. Die meiften Namen von gutem Klange
fehlten, und was von anderen zur Ausftellung kam, gehörte vielfach gerade zu den
fchwächeren Arbeiten der Meifter; nebenbei dann viel Schülerhaftes, Unreifes —
was im Ganzen genommen keineswegs geeignet war, einen günftisen Gefammt-
eindruck hervorzubringen. Es ift zwar in letzterer Zeit in allen deutfchen Staaten
an bedeutenderen Aufträgen eine fühlbare Ebbe eingetreten; Monumentales ift in
der jüngften Epoche nicht viel auf deutfchem Boden entftanden, dafs die bevor-
zugten Talente befchäftigt worden wären; aber gerade diefer Paufe wegen hätte
man erwarten follen, dafs auf der erften Weltausftellung in einer deutfchen Stadt
zum Mindeften Entwürfe oder Modelle in reicherem Mafse vertreten gewefen
wären. Verlangen doch die Thaten der Nation aus der jüngften Vergangenheit fo
manches Erinnerungszeichen für künftige Gefchlechter, zu deren Ausführung die
Plaftik wohl in erfter Linie berufen ift. Wo blieben doch die Entwürfe zum Denk-
male auf dem Niederwalde? Soll die Siegesfäule in Berlin die einzige künftlerifche
That in Folge des franzöfifchen Krieges fein? Und warum wird doch das Feld
der Idealplaftik, worin die Franzofen und Italiener fo fruchtbar find, fo fpärlich,
ja geradezu ängftlich bebaut? — Mannigfache Urfachen treffen wohl hier zufammen.
Die deutfchen Plaftiker ftecken gröfstentheilsnoch zu tief inder antiken Stilifirung,
ihre Arbeiten find zu fehr von der akademifchen Kälte umweht, als dafs das Publi-
cum davon angezogen würde; das Streben, antike Hoheit ganz modernen Sujets
zu verleihen, hatte jene Hohlheit und Nüchternheitin der Form zur Folge, die ganz
richtigmit „akademifch“ bezeichnet wird; denn gerade die Akademien und unfere
gröfseren Kunftfchulen waren und find zum Theil noch der Sitz der Traditionen,
an denen mit unverrückter Confequenz feftgehalten wird, und in welchen oft die
entwicklungsreichften Talente durch die Erziehung nach der hergebrachten
Schablone verflachen.
Ein weiterer Grund, dafs die Plaftik bei den Deutfchen in geringerem Mafse
dem Volke gegeben ift, als bei den Franzofen und Italienern, ift ihr vornehmes
Verfchliefsen der Induftrie gegenüber. Erft in den ietzten Jahren wird eine Ver-
brüderung der Kunft mit dem Kunfthandwerke in den deutfchen Kunftfchulen
wieder angeftrebt, was gewifs beiden Theilen nur zum Vortheile fein wird. Dann
mangelte aber bisher zum tieferen Verftändnifs der Kunft überhaupt in allen
unferen gelehrten Schulen jedweder geregelte Kunftunterricht und beginnt fich’s
erft in allerjüngfter Zeit zu regen, lange Verfäumtes in diefem Punkte der all
meinen Volksbildung nachzutragen.
Wenige Werke der deutfchen Sculptur auf der Ausftellung waren von fo
chlagendem Effecte und künftlerifcher Bedeutung, dafs fie auf ein nachhaltiges
Echo in der Erinnerung des Publicums Anfpruch machen könnten; in Folgendem
wollen wir das Hervorragendfte in kurzer Befprechung berühren.
Von monumentalen Werken ift hier wohl Adolph Breymann’s (Dresden)
„Statue Heinrich’s des Löwen“ (nördlicher Hof der Rotunde) voranzufetzen. Die
edle, würdevolle Auffaffung. der ichöne natürliche Flufs der Linien und vor Allem
der harmonifche Aufbau des kleinen Denkmales, das Uebereinftimmen der tekto-
nifchen Formen des Piedeftals mit der Figur machten auf den Befchauer den ange-
nehmften, befriedigendften Eindruck; als weit weniger anfprechend mufs das
koloffale Denkmal „Maximilian’s II.“ von Zumbufch bezeichnet werden. (Hinter
ler Rotunde.) Wohl mag die äufserfl unruhige Umgebung dem Gefammteindrucke
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