Full text: Bildende Kunst der Gegenwart (Heft 75)

Jofef Langl. 
ftrade fitzt oder balancirt vielmehr ein Knabe und hält an einem Röhrchen eine 
Seifenblafe (in Glas nachgebildet) empor, nach welcher ein zweiter, in rein fchwe- 
bender Stellung an dem Poftamente emporkletternd, übermüthig die Hand aus- 
ftreckt*! Arme und Füfse hingen dabei fo frei herum, das Ganze war fo luftig 
gebaut, dafs man bei der vollendeten Ausführung über die Bravour des Meifsels 
nur zu ftaunen vermochte. Ein ähnliches Virtuofenftück hatte übrigens auch 
Branca in feinem „Traubendieb“ geliefert. A. Bezzola fchilderte einen 
launenhaften „Modellino“; vergebens fchmeichelt eine junge Künftlerin ihrem 
Amor-Modell, feine gewifs heitere Rolle weiter zu fpielen: der kleine Schelm 
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{träubt fich gegen das langweilige Gefchäft in ganz köftlicher Geberde, die übri- 
gens lebhaft an Begas’ „zürnenden Amor“ erinnerte. 
Ganz im Dufte mittelalterlicher Romantik brachte C. Teffin unter der 
Devife „La bocca mi baccio tutto tremante“ die Liebenden „Paolo und Fran- 
cesca“ in Marmor zur Erfcheinung. „Il baccio“ wäre wohl der einfachere Titel 
der Gruppe gewefen, an welcher übrigens das Arrangement in der Gewandung 
manch hübfches Motiv bot. 
Barzaghi führte uns an das Nilufer und liefs uns von der Tochter des 
Pharao den kleinen Mofes im Binfenkörbchen präfentiren; die Geftalt war 
reizend durchgeführt, nur drängte fich, wie an des Künftlers „Phryne“, das Sinn- 
liche etwas auffällig in den Vordergrund, was wohl auch bei Imanuelle’s 
„Mädchen im Bade“, dem „Schlaf der Unfchuld“ und der „Eva“ von Argenti 
und fo manch Anderen mit berechueter Abficht der Fall war. Die Figur Ima- 
nuelle’s hätte wohl der anatomifchen Gewiffenhaftigkeit nach, mit welcher das 
betreffende Modell copirt war, beffer „die Frau im Bade“ heifsen follen. Barzaghi’s 
„Eitle*, ein Kind, das fich im Schleppkleid probirt, erinnerte an Makart’s 
Amoretten. 
Bemerkenswerth ist, dafs mit dem vollendeten Realismus in der Form 
auch die Compofition fich wenig um die plaftifchen Gefetze kümmert und darin 
rein malerifch zu Werke gegangen wird. Wie abfichtlich fanden fich Werke, die 
diefer Richtung angehörten, in der Vorhalle des nördlichen Amateur-Pavillons 
ausgeftellt, von welchen wir Oldofredi’s „Chislehurst“, Napoleon, tief gebeugt 
auf einem Lehnftuhle fitzend, und Larrochi’s (Profeffor in Siena) originelle 
Gruppe „Tobias, eine Leiche beftattend“ erwähnen wollen; es begegnete wohl 
zum erften Male in der Plastik, in dem Piedeftal einer Gruppe ein Grab gehauen 
zu finden und darüber mit gefpreizten Füfsen eine Gefalt einen Leichnam an 
einem Tuche in die Tiefe fenken zu fehen. 
Das Werk befafs jedoch, befonders in den nackten Theilen, grofse Vor- 
züge und war auch fonft, wenn man einmal der Möglichkeit der Darftellung zu- 
Itimmte, fehr fchön aufgebaut. Nebenan ftand auch Oldofredi’s „Kriegsgenius“, 
der vor feinen Werken zurückfchaudert; eine impofante Figur, die wohl fchon in 
ihrer gemeinen Haltung (fitzend mit aufgefchlagenem Fufse) das rauhe Gefchäft 
andeutete, in welchem mit jenen Werkzeugen hantirt wird, die zu ihren Füfsen 
lagen. 
Ob fich die Plaftik zur Erhöhung des Effedtes in einem Bildwerke 
zweierlei Materiales bedienen darf, hat wohl fchon das Alterthum entfchieden, 
und wird ja dieSchönheit von Phidias’ chriselephantinen Statuen von den Schrift- 
ftellern über alle Mafsen gepriefen. 
Calvi’s Büften des „Othello“ und der „Selica“ in Bronce und Marmor 
waren als decorative Stücke gewifs von überrafchender Wirkung, mochte man 
auch gegen „Büften mit Armen“ einiges Bedenken tragen. 
Von den Genuefer Künftlern hatte Monteverde (früher in Rom) mit 
feiner Gruppe „Jenner, am eigenen Kinde die Einimpfung verfuchend“ für den 
Realismus einen kecken Trumpf ausgefpielt. Wer follte doch einen folch 
profanen Vorwurf für eine lebensgrofse Gruppe in der Plaftik annehmbar 
halten! 
    
  
  
  
  
   
   
    
  
    
   
  
  
  
   
   
  
   
  
    
  
   
  
  
  
   
    
    
  
  
  
  
  
  
   
   
   
  
  
   
   
   
  
  
  
  
  
   
  
  
  
   
  
  
   
   
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