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der Ausdruck des Affectes befchränkt fich zu fehr nur auf die Stellung und Bewe-
gung, auf „Geberden, die man auch fpielen könnte“, und fällt eben dadurch ins
Theatralifche, das fich mit jener äufserlichen, technifch exacten Vollendung ganz
wohl verträgt. Mehr wirklicher leidenfchaftlicher Gehalt fcheint in der Beichiftdhl.
feene Angeli’s zu liegen; die Verzweiflung der händeringenden Bäuerin, die
clericale Erbarmungslofigkeit des Paters find da, fo möchten wir beim Een
Blicke glauben, fehr eindringlich zur Anfchauung gebracht. Wenn wir aber näher
zufehen, müffen wir hinzufügen: eindringlich wohl, aber zugleich mit einer fich
vordrängenden Abficht. Der Geiftliche Sehe int uns, je genauer wir feine Züge
ftudiren, wie ein Charakterfpieler, der feine Rolle chargirt fpielt. Es bekommt
eben der Wiener Kunftrichtung nicht wohl — das fehen wir gerade bei ihren
namhafteren Repräfentanten — wenn fie aus dem ruhigen finnlichen Behagen an
der Erfcheinung, aus dem geniefsenden Anfchauen und Darttellen in die Schil-
derung des Affectes übergeht; fie bleibt auch da finnlich und äufserlich und
erfetzt durch grelle Züge das, was ihr an Tiefe und Energie mangelt.
Jenes völlig ungetrübte, ruhige Behagen, den hellen, weltfreudigen Blick
der mit heiterer Objectivität ins Leben fieht und das frifch Angefchaute, unbe-
fangen Wahrgenommene mit bewunderungswürdiger Farbenfrifche wiedergibt,
befitzt in feltenem Mafse Ludwig Paffiny. Obgleich er derzeit dem Berliner
Künftlerkreife angehört und feine herrlichen Aquarell-Meifterftücke theils der
königlichen Nationalgallerie in Berlin angehören, theils fich fonft in Dresden ode
in Berlin im Privatbefitz befinden, fo hat er fie doch, feiner Wiener Herkthft
eingedenk, den öfterreichifchen Sälen als werthvolle Zierde zugedacht. Italien ift
die Welt, in der Paffiny’s beobachtendes Auge heimifch ift. Seine mannigfacheı
Volkstypen, feine Kinder auf der Strafse und in der Schule, feine Frauen und
Pfaffen ftellt er unermüdlich vor den Pinfel, den er mit fo feiner und ficherer
Meifterhand führt. Die weichere Natur des Wieners zieht es überhaupt nach den:
Süden; er hat fich dort eine zweite Heimat für feine Genrekunft gefchaffen, und
Venedig fcheint da das nächfte malerifche Abfteigquartier, wie etwa bei Rudolf
GEyline, wenn nicht eine dauernde Niederlaffung zu fein, wie bei Eugen
Blaas. Andere öfterreichifche Maler gehen in Italien zunächft nur auf colo-
riftifche Abenteuer aus, wie etwa der oben befprochene Al. Schönn. Paffıny
dagegen ift ebenfo be deutender Colorift wie geiftvoller Beobachter; ja unter den
Eroberungen, die die Kunft feit jeher am Leben gemacht hat, ift die feine eine
der überrafchendften und vollftändigften und Zugteich eine der liebenswürdigften.
Es gibt keinen erfreulicheren Eitäruck in der Kahl als wenn ein Maler mit fo
klarem Gemüth und Auge fich ganz in feinen Stofrkreis einlebt und fich fo einen
malerifechen Fonds anlegt, aus dem er bei aller beftimmten Art der Geftaltung
immer etwas Neues herauszufel höpfen vermag. Er fchildert uns das temperament-
volle, leicht erregte, aber in feiner E rregbärkeit gutmüthige Volk Oberitaliens und
V enedigs, das für den Beobachter von Wiener Herkunft, der doch auch Tempe-
rament Bir fo manche a Seite darbietet. Die Fifcher von der Riva dei
Schiavoni oder von Chioggia, e Jungen, die in der Chriftenlehre katechifirt
werden, die Frauen, felbft aus a ala Gefellfchaft, die fich von ihrem geitt-
lichen Berather einen Stachel aus ihrem wunden Gewiffen ziehen laffen, fie
gehören Alle zu demfelben lenkfamen, beftimmbaren, halbkindlichen Gefchlecht
für das fich Paffiny eine unv ergle icHliche malerifche Menfchenkenntnifs gebildet
hat, und zur Verv ollftändigung gehören die Volksdeclamatoren und V oe dazu,
die ihr naives und empfängliches Auditorium mit mäfsigem Aufwande enthufias
miren, die Priefter geringeren oder höheren Ranges, die es klug lenken oder fchlau
überliften. Wie prächtig ift der fenfationelle Eıfol g gefchildert, den der Vorlefer
in Chioggia vor feinem Publicum von Fifchern Hd Schiffsknechten feiert. Die
Volksfeele offenbart fich fo recht. da, wo eine gemeinfame ftarke Erregung auf fie
wirkt; in den fcharf individualifirten Geffchtern fpiegelt fich der E en auf die
mannigfachfte Weife; es ift gar fchön zu fehen, wie in folchen Naturen. die
Bu EWEp veze