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Die Malerei. 1 7.
vernachläffigt, werden zu frifchem Leben erweckt... Für die Malerei und Plaftik
überhaupt hat der zunehmende Reichthum den Vortheil gehabt, dafs fich das Be-
dürfnifs, Kunftwerke zu befitzen, in überrafchender Weife gefteigert hat. Die alten
Kunftvereine haben ihre unterflützende Wirkfamkeit zum gröfsten Theile ein-
ftellen können; ftatt der fonft gewöhnlichen Gypsmodelle zeigen die Ausftellungen
fertige Arbeiten in Marmor und Erz. Die ältere Richtung, welche fich mit einer
gedankentiefen Erfindung begnügen zu können glaubte, ift verfchwunden ; man
fordert tüchtige Ausführung und volle malerifche Erfcheinung des Bildes, in der
Sculptur genaues Verftändnifs und fichere Beherrfchung aller Mittel.“
An diefe Sätze, die dem Vorworte zu dem Veızeichniffe der Kunftwerke
im amtlichen Ausftellungskataloge des deutfchen Reiches entnommen find, knü
ich meinen Bericht über die deutfchen Säle der Kunfthalle an Wohl ift da zunä
auf den technifchen Fortfchritt, auf die zunehmende Sicherheit in all dem,
das Aufsenwerk der Kunft betrifft, der entfcheidende Nachdruck gelegt — und
an diefer Stelle nicht mit Unrecht. Esift diefs der Weltausftellungs-Standpunkt,
der bis zu einem gewiffen Grade auch auf die Kunf Anwendung findet. Sobald
fie fich auf diefer grofsen Arena des technifchen Wettkampfes mit der Induftrie.
den Gewerken, dem Mafchinenwefen zugleich einer gemeinfamen Prüfung unter-
zieht, mufs fie fich auch einen verwandten Mafsftab der Schätzung gefallen laffen.
Der äufserliche Fortfchritt, wie er fich in der ficheren und erfolgreichen Hand-
habung der Kunftmittel zeigte, beftimmte daher auch wefentlich das Urtheil der
Ausftellungsjury, die eine andere Inftanz ift, als jene, aus der die kunftwiffenfchaft-
liche Beurtheilung ihr Verdidt fällt. Die letztere braucht zur Ueberfchau desFort-
fchrittes auf diefem Gebiete weit längere Abfchnitte, als es die Ausftellungsepochen
find. Der Stoffkreis der Kunft, der Hauptzug des künftlerifchen Erfindens und
Geftaltens kann fich in fo wenig Jahren nicht wefentlich verändern: neue ent-
fcheidende Richtungen können nicht leicht von einer Weltausftel
wachfen und reifen, wohl können aber neue Fertigkeiten durchge
kann ficherer, der Vortrag glänzender geworden fein. Es ift
fchloffen, dafs inzwifchen die Kunft auch innerlich gewachfen fe
fie zunächft an äufseren Ausdrucksmitteln gewonnen hat,
fich nach fo kurzer Zeit im Ganzen deutlich fehen und nach fe
abfchätzen läfst.
Diefsmal freilich ift der Fortfchritt in der deutfchen Malerei kein fo ganz
äufserlicher — aber doch nicht wieder fo intenfiv und durchgreifend, wie Manche
es durchaus annehmen, denen das kritifche Urtheil mit dem Patriotismus und der
Siegesfreude durchgeht. Die Kunft hat ihren eigenen Gang, der fich manchmal
fogar in einen Flug verwandeln kann -— aber nie geht fie im Marfchtempo völ
gleichen Schrittes mit den Thatfachen. Sie wächft nicht auf den Exercierplätzen
und Schlachtfeldern, fondern nur in den Ateliers und Kunftfchulen grofs. Diefe
find eben ihr Exercierplatz. Die entfcheidenden Zeitereigniffe hal
von einzelnen ftofflichen Anregungen in den nicht einmal
Zeitbildern, den Hauptzug der deutfchen Malerei insbefondere nicht wefentlich
beeinflufst; und follte diefs noch gefchehen, fo bedürfte es dazu einer längeren
Nachwirkung. Die Kriegsbilder entfcheiden da auch nichts. Die Palette für diefe
neuen militärifchen Ereigniffe war fchon früher vorbereitet und zum guten Theile
finden wir fie in denfelben längft bewährten Händen.
Wenn nun auch die deutfche Kunft nicht mit klingend
den Fahnen, gleich den deutfchen Heeren, avancirte — fo merkte man doch mit
freudiger Ueberrafchung auf unferer Ausftellung, dafs fie auf ihre Art im Stillen
vorwärts gegangen war, indefs man gerade fein Augenmerk auf andere Dinge
richtete. Es regt fich wieder der Wein im Faffe ; eine Gährung, die ftiller verläuft,
nicht eben tumültuarifch, aber nachhaltig ift, geht im deutfchen Kunftleben der
Gegenwart vor fich und wird wohl nach einiger Zeit ihre Ergebniffe ans Licht
ftellen. Der Drang nach realem Lebensinhalt, das gefunde Streben,
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