Full text: Bildende Kunst der Gegenwart (Heft 75)

  
    
   
  
   
  
  
  
   
   
  
  
   
   
  
  
  
   
   
   
   
   
  
  
   
  
  
  
   
  
  
  
  
  
   
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
  
  
  
  
  
  
   
   
  
  
  
   
18 Dr. Jofef Bayer. 
Richtung den Beöbachtungs- und Darftellungskreis zu erweitern, gibt fich vielfach 
und in erfreulicher Weife kund. Die Malerei der letzten Epoche geht nicht 
auf monumentale Eroberungen aus; fie bringt nicht neue Ideen, wohl aber 
inannigfachere Ausblicke ins naheliegende, wirkliche, und eben auch bedeutfame 
Dafein. 
Jene Nebelbild 
rem Idealismus eine fc 
buch-Empfindfamkeit und die fentimentale Pinfelei von ehedem — diefes und 
Aehnliches ift durch die fcharfe Luft, die unfere Zeit durchweht, meift glücklich 
ie Anekdotenmalerei, die blofse illuftrirende Verdeut- 
nicht ganz fo anfpruchsvoll in den Vordergrund. Die 
fondern läfst fich in ernftem Sinne, 
Früher, da 
ungen, die zwifchen abgefchwächtem Realismus und unwah- 
hwankende Mitte einnahmen, all jene Reflexe der Tafchen- 
hinweggefegt. Ebenfo tritt d 
lichung witzelnder Einfälle 
Kunft fpielt nicht mehr blos mit der Realität, 
mit gründlichem Studium der beobachteten Erfcheinungen auf fie ein. 
die monumentale Richtung der Malerei in München einer edlen königlichen Paffion 
ihre Pflege zu danken hatte, die dann vorübergehend, freilich nur für wenige 
grofse Aufgaben, auch auf Berlin überging, da trieb der Realismus bei den mitt- 
leren Talenten, deren Pinfel wandfcheu war und fich blos mit den kleineren Lein- 
wand-Formaten befreunden mochte, nur fo nebenbei fein befcheideneres Klein- 
gefchäft. Die Anekdoten- und Gefchichtchenmaler, die Schilderer häuslichen 
Glückes und die malenden Kinderfreunde, die Darfteller der Hochzeits- und 
Kindestaufen-Schmäufe ftellten fich fchaarenweife ein und variirten endlos ihr 
zahme Bauernmalerei mit obligatem Citherfpiel trieben 
Thema, indefs Andere 
ahreszeit, ja felbft mit Vor- 
oder unferen biederen deutfchen Forflleuten zu jeder J 
Jundewetter und Schneegeftöber auf die Pürfch folgten. üs gefchah 
liebe bei 
jüngften Gerichten“ 
diefs fchon des lieben Publicums willen, dem es zwifchen den „ 
und „apokalyptifchen Reitern“ der grofsen Malerei doch etwas bange wurde, das 
auf die neue Münchener Mythenfymbolik der „drei Kronidenreiche“ in den Fett- 
nicht zwifchen den grofsen 
fälen der Glyptothek nicht einzugehen wufste und felbft 
Mufeum zu Berlin 
malerifch verfinnlichten Hauptepochen der Gefchichte im neuen 
fortwährend Treppen auf- und abfteigen wollte. Eben defshalb, weil die grofse 
ideale Richtung in der Malerei nicht organifch in dem gefammten deutfchen Kuntt- 
leben wurzelte, weil Cornelius, Julius Schnorr, Heinrich Hefs mit ihren Intentionen 
individuell vereinzelt blieben und über die kleine Gemeinde ihrer Mitarbeiter, 
K. H. Hermann, Ph. Foltz, Hermann Stilke und Anderer ihren Einflufs 
eil ferner das im engften Sinne Perfönliche diefer höchften 
Kunftbeftrebungen auch nur auf die perfönliche Unterftützung einzelner fürftlicher 
Kunftfreunde und Gönner traf: fo drang diefes Hohe der Kunft nicht als circu- 
lirendes Blut in die Adern des deutfchen Kunftlebens. Der Idealismus blieb ifolirt 
im Innern feines Heiligthumes und der Realismus trieb fich gefchäftig im Vorhofe 
herum. ohne einen höheren regelnden Schulgedanken. Das Publicum hatte das 
fich von den übergrofsen Gegenftänden einer Malerei, die ihm mit 
tgegentrat, bei den allerkleinften Stoffen und jenen gemüth- 
die ihm geläufig waren und Beziehungen zu feinem 
einer kaum noch 
eines 
nicht erftreckten — w 
Bedürfnifs, 
abftradter Fremdheit en 
lichen Geringfügigkeiten, 
Leben hatten, fo gut es anging, zu erholen. So finden wir in 
abgelaufenen Periode der neueren deutfchen Kunft neben das Unpopulär Bedeu- 
tende in harter Nähe den populären Durchfchnitt einer untergeordneten Pro- 
dudtion geftellt — ohne Vermittlung und fichtlichen Zufammenhang. %s wird noch 
eine Zeit koften, ehe die vornehme Erbfchaft der Kunftgedanken, die fich von 
Carftens bis auf Genelli in immer neuer Umbildung hinziehen, zum wirklichen 
Gebrauche angetreten und das von jenen Meiftern nur fkizzirte Bild einer grofsen 
Kunftepoche in farbiger Lebensfülle neu erftehen wird; künftlich befchleunigen 
läfst fich nun einmal ein folches höchftes Ergebnifs nicht. Der weit richtigere 
Weg ift der, den Realismus gewiffenhaft in die Lehre zu nelımen, als einen 
fchattenhaften Idealismus der Kunft aufzuzwingen oder gar im akademifchen Tone 
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die ennuyante Klage über den Verfall des Stiles erheben zu wollen. 
        
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