Full text: Bildende Kunst der Gegenwart (Heft 75)

   
   
  
    
   
    
  
   
  
   
    
    
   
    
    
    
     
    
     
   
   
   
    
   
  
  
  
    
   
    
  
   
      
   
   
   
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
    
   
     
   
   
     
  
  
  
  
  
  
     
     
  
  
  
  
   
      
   
     
    
     
     
   
      
   
  
  
   
     
  
  
   
  
   
    
  
  
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Die Malerei. | 9 
Ich möchte es unter den gegenwärtigen Umftänden faft für ein Glück halten, 
dafs die monumentalen Aufgaben jetzt ausbleiben und die Kunft, die vorerft 
anderweitig mit fich zu thun hat, durch folche Aufgaben nicht genöthigt wird, 
ihren Stil zu forciren, ftatt ihn naturgemäfs zu fteigern. Ich finde im Allgemeinen 
die deutfche Kunft auf dem richtigen Wege. Er geht darauf hinaus, Ernft und 
Gründlichkeit in die realiftifchen Beftrebungen zu bringen. 
Man hat früher zu kühn in die Spitze hinaufgebaut, jetzt forgt man für eine 
breitere Bafıs. Die kleineren Gattungen, die früher auch in jedem Sinne klein 
behandelt wurden, füllen fich mit Leben und Inhalt. Das gefundefte Mittel gegen 
die Abirrung ins Gedankenhafte, der Sinn für das Charakteriftifche, lebensvoil 
3ezeichnende tritt immer kräftiger und bedeutungsvoller hervor. Die grofsen 
dominirenden Erfcheinungen, welche die Strömung des Kunftlebens nach grofsen 
Richtungen theilen, zufammenfaffen und lenken, find wohl in unferer Epoche aus- 
geblieben, aber wo fänden fie fich jetzt auch fonft? Was aus der Reihe tritt, trägt 
weniger den Stempel der vollen Genialität, als den des fogenannten „glänzenden 
Talentes“, das aus der Umgebung hervorleuchtet, ohne fie aber geiftig fo recht 
zu beherrfchen. Es fcheint überhaupt ein Kennzeichen unferer Epoche zu fein, 
dafs wir uns mit diefem Surrogat des eigentlich Grofsen, mit dem „Glänzenden* 
begnügen müffen und nach der vorherrfchenden Gefchmacksrichtung felbft ganz 
I 
gern damit begnügen. 
Wenn wir Alles zufammennehmen, fo tritt die deutfche Kunft, wie fie fich 
uns in einem umfaffenden Ueberblicke auf der Weltaus ftellung zeigte, in der Breite 
Achtung gebietend, ja imponirend auf, freilich ohne fich zu einer bedeutenden 
Höhe emporzugipfeln. Am wenigften können wir erwarten, dafs fich jetzt fchon 
ein neuer Gipfel in ihr emporhebe. Wohl aber tritt uns die Tüchtigkeit des künft- 
lerifchen Könnens, der techrifchen Geichultheit vielfacher vertheilt und ausge- 
breitet entgegen, als es je früher der Fall war. Wir können es nur mit Freuden 
begrüfsen, jene Grundeigenfchaft, die der Solidität der a Stammesart ent- 
[pricht, auch in der Kunft fo reichlich vertreten zu finde 
Ein Moment, welches das Vorwort zum deutfchen Eialeg gleichfalls hervor- 
ebt, erfordert auch im Verlaufe diefer allgemeinen Charaktere unfere Beach- 
Kin Es ift diefs die Wahrnehmung, dafs der fpecielle Typus der früheren ent- 
fcheidenden Kunftfchulen, nämlich der Münchener und Düffeldorfer, fo gut wie 
verfchwunden ift und auch in anderen Hauptfitzen deutfcher Malerei, die neu 
hinzukamen, fich ein folcher gemeinfamer Typus nicht weiter gebildet hat. 
München ift der „Vorort einer fehr regen coloriftifchen Schule“ geworden, die 
von den früheren localen Traditionen voll ig abweicht und zunächft auf die Thätig- 
keit Carl Piloty’s, welcher zu Anfang der fünfziger Ja re an der dortigen Aka- 
demie zu wirken begann, kunteksufikeei ift. Franzöfifcher Einflufs drang da 
fichtlich herüber, obgleich diefe neueren coloriftifchen Beftrebungen nicht auch 
in gleicher Weife gegen den Stil die Kühnheit, Le bhaftigkeit ud Eleganz des 
Vortrages eintaufchten. Düffeldorf übt keinen ak teen Einflufs ehr in 
beftimmter Richtung; esift nur noch ein Colledtivname für die verfchiedenften 
individuellen Tendenzen, höchftens durch die Pflege der Landfchaft und dann 
des Genrebildes in geiftreicherem Sinne nach Knaus’ und Vautier’s Vorgang 
fich neu hervorthuend. Das Dresdener Kunftleben hat aufser einer durch- 
f[chnittlichen, gemäfsigten Zahmheit nichts befonders Bezeichnendes ; Frankfurt 
am Main, Carlsruhe, Stu tiert —. locale on ederlaffungen, in denen 
auch kaum Atichiäidende Schuleinflüffe hervortreten ; eine fehr namh alte Künftler- 
gruppe, auch noch nach Genelli’s Hinfcheiden Erdemaiä vereinigt in fich Wei- 
mar, wo, wie einft für unfere claffifche Literatur, ein glückliches, wenn 
minder hellglänzendes Geftirn zu leuchten fcheint 
In Berlin geht bei wachfender Mannigfaltigkeit der K unftbeftrebungen 
immer mehr der grofse hauptftädtifche Charakter hindurch , beiläufig fo, en wir 
ihn auch in Wien fanden: ein refolutes Herausgehen der Kunf in ftärkere Wir- 
auch 
   
  
  
  
 
	        
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