26 Dr. Jofef Bayer.
nicht als ein froftiges Gedankenprodudt auf, fondern fteigert fich im Ausdrucke
wie in der Compofition zu einer tieferen, pathetifchen Wirkung.
Die finnreiche Perfonification des „Märchens“ von demfelben Meifter
führt uns auf diefes Gebiet hinüber, das auch, freilich nur ne benher, auf der
deutfchen Ausftellung vertreten war. Aber das Märchen felbft blickt uns nicht
mehr mit feinen rührenden Kinderaugen aus der altklugen Technik diefer
Bilder an. Die Zeit ift vorüber, wo Schneewittchen, Afchenbuttel und die
fchöne Melufine mit zarten, fchmiegfamen Leibern, mit leichtem, zierlichem
Geiftertritt in wunderfamen Aquarellcompofitione en von Moriz Schwind,
wohl auch von Eugen Neureuther an uns vorübergeführt wurden. Die Realiten
find keine guten Marcheseszähler: : fie verfetzen die Traumwelt der Fee Mab ins
helle beftimmte Tageslicht und geben ihr den Anfchein einer genrearti igen Wirk-
lichkeit, welche die zartgew abene Poefie des Märchens völlig zerftört. Befonders
ift dies bei Hermann Kaulbach’ s „Hansl und Gretel bei dr Hexe“ der Fall.
Auch Bethke in München ( („Rothkäppchen“ ) verfteht nicht recht zu fabuliren.
Derfelbe Gegenftand von Paul Me eyerheim hat die volle Liebenswürdigkeit
feiner übrigen Kindergetftalten in genreartigem Sinne, ob fie nun dem Wolfe im
Walde begegnen oder nicht, aber kaum den eigentlich märchenhaften Zug. Das-
felbe wird wohl auch von feinem Aicheribradie gelten. Auch Franz Meyer-
heim führt uns in ähnlichem Sinne Schneewittchen und Dornröschen eben nur
als anziehende Genrefiguren vor.
Vom Märchen Ener wir aufdieLiteraturmalerei, eine Gattung, die
bei uns nie ausgehen will. Im Märchen liegt ebenfowohl ein malerifches, wie ein
poetifches Element: wenn wir fo fagen ätrfen: ein fchwimmender Geftaltenzug,
der der : Dichtung ebenfo, wie a erbte und der delicateren Palette ge-
mein ift. Anders ift es um jene Stoffe befteilt, welche den berühmten Partien
der Literatur entlehnt find. Sie repräfentiren eine förmliche Vorfchufsbank für
die unprodudtive Malerei. Der momentane Vortheil ift dabei erfichtlich genug.
Jeder Lefer von einiger Einbildungskraft entwirft fich im Kopfe eine Contour zu
len populären Hauptfiguren unferer Dichtungen. Man weifs beiläufi fig, wie diefe
j onen im Kopfe ausfallen, wenn man felbft ein belefener Maler if.
Man greift in diefen Durchfchnitt ein und hat fofort ein Bild. Dem Geftal-
fungstriebe der Kunft, dem realen nn wie dem idealen, ift, damit nicht
fonderlich gedient, Zen den Blättern der Bücher fteigen die Figuren nur
fchmal und dünn hervor: das wirkliche Leben mufs ihnen Fülle und Weiher
der eigenthümliche ideale Z Zug der Kunft höheren Adel geben; das Leihgefchäft
der Lecture, das mitten hinein tritt, nimmt auch eine Zwitterftellung zwifchen
der idealen und realiftifchen Richtung der Kunft ein, ohne fie nach einer on
der anderen Seite hin zu fördern. Ich will hier die einzelnen Bilder, welche der
bezeichneten Gattung angehöre en, noch keineswegs abfchätzen, wenn ich fie in
einer Reihe ee a find es fehr ungleiche Glieder diefer Reihe. Da
wäre die Scene vor in Käftchen aus den Kinn von Venedig“ von Ferdi-
nand Barth in München; „König Alarich’s Begräbnifs nach Platen“ von
M.v. Beckerath in Düffeldorf; „die Mutter mit ihrem Kinde an dem Grab-
fteine des Ritters“, nach der Chronik eines fahrenden Schülers von Clemens
Brentano, von Leopold Bode in Frankfurt a. M.; wieder eine Scene aus dem
„Kaufmann von Vene: lig“ von Alexander Gierymski; Fallftaff in den „lufti-
gen Weibern“ von Wilhelm Lindenfchmidt; dann „Fallftaff mit Dortchen
Lackenreifser“ von Ed. Grützner; „Gretchens Erfcheinung in der Walpurgis-
nacht von GabrielMax; Siegmund End Siegelinde aus Richard Wagner’s „Wal-
küre* von Theodor Pixisin München; Ophelia, Kränze an die Weidenzweige
hängend, von Roland Riffel in Budo; das Waldfräulein von Zedlitz von
Paul Martin in München; „Lear mit Cordelia“ von Friedrich Pecht; „Elaien
nach einer Ballade von Tennyfon von Toby E. Rofenthal; Sufanne aus
„Figaro’s Hochzeit“ und Gretchen aus „Fauft“ von W. Souchon in Weimar;
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