Full text: Bildende Kunst der Gegenwart (Heft 75)

   
  
  
    
    
    
    
   
   
   
    
   
  
  
  
  
   
  
  
   
  
    
   
  
   
   
  
  
  
    
   
  
  
    
   
    
   
  
  
    
    
  
  
  
    
    
  
   
  
  
    
  
  
  
    
   
   
   
  
  
    
   
  
   
  
  
    
   
   
  
   
    
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Die Malerei. 69 
Alterthum zurück, fo finden wir fie auf den Wegen des coloriftifchen Eklekticis- 
mus, oft auch nur des blofsen effedtvollen Arrangements. Das Bild des älteren 
Meifter Guftav v. Wapper’s: „Bocaccio der Johanna von Nepal fein Decama- 
rone vorlefend“ ift nur ei und zudem im Sinne einer älteren Technik zu 
beurtheilen ; fonft ift es ein blofses Farbenfel hauftück und gehört, abgefehen von 
dem finnlichen Reize des tiefften Negliges der Damen, ganz in die Reihe deı 
Vorlefebilder, die in der belgifchen Kunft eine gewiffe Roll e fpielen. Jofef Sta- 
laert’s „Lod der Dido“ Br ebenfo etwas von franzöfffchem Pathos, wie von 
franzöfüifcher F arbentechnik ; ift übrigens gut componirt und von harmonifcheı 
Wirkung. Slingeneyer's Bild, das fehlechthin „Carthago“ benannt ift — eine 
auf den nn der Stadt hingeftreckte Frau mit zw eitodten Kindern, darü- 
ber ein tragifch verglühendes Al bendlicht — iftauch zunächft im Sinne der Farben- 
und Beleuchtungswirkung zu nehmer 
Im Genrefach überwiegt bei den Belgiern ein gewilfer weltmännifch-ele- 
ganter Zug. In diefer Gattung zeigt fich Brüffel als ein Klein-Paris und treibt 
gelegentlich Modemalerei. Die gemüthliche Austiefung des Genres in deutfchem 
Sinne ift dem belgifchen W a, nicht recht ee obgleich manche Maler 
nahe daran ee gewöhnlich aber begnügen fie fich mit einer mehr technifch 
wirkfamen, als ee inhaltsreichen ie ihrer Aufgabe. Eigentlich gehen da 
zwei Strömungen Helene einander, die, wie das W affer zweier Flüffe in der Nähe de: 
Einmündung, auf eine Strecke hin Br deutlich unterfcheiden laffen, dann aber 
wieder ineinander übergehen und verfchwimmen. Es ift diefs einmal der ganz 
moderne franzöfifche Gefchmack, der hier deutlicher als in der Hiftorienmalerei 
herüber wirkt und daneben wieder die einheimifchen Traditionen aus der Blüthe 
zeit des flandrifch-holländifchen Genres, wo Teniers der Jüngere ebenfo Anre- 
gungen gibt, wie die Atlafs- und Toilettenmaler von dazumal. Jene moderne 
ey fteht unter dem Einfluffe der Gefellfchaft, diefe, mehr nur in arti iftifchem 
Sinne nationale, unter dem der einheimifchen Gallerien. Oft geht Beides ineinander 
über; gerade vr fcheint mir die Technik wie die Auffaffung nicht fcharfe Grenzen 
a ze und fich kaum ein anderes Programm zu ftellen, als das des Pikanten 
und Gefälligen, aus welchen Kunftmitteln es auch beftritten werden mag. Florentin 
Willems gab dem Cabinetsftücke und der Feinmalerei, wie fie einft Terl Jurg 
und Netfcher vertraten, eine moderne Auffrifchung und nachgerade auch einen 
modernen Inhalt; eine den älteren Bildern Dachempfhndene Manier ohne Manie- 
rirtheit verbindet fichbei ihm mit einem frifchen heiteren Blick ins gegenw ärtige 
Leben. Dagegen repräfentirt Alfred Stevens fo ganz den Parifer Salötmede 
Gefchmack des zweiten Kaiferreiches und malt unermüd en feine Boudoirfcenen, 
feine Damen aus der guten, wie aus der halben Welt, überhaupt jene w eiblichen 
Toilettenexiftenzen, bei deren niedlichen und pikanten RR uns am aller- 
wenigften beifällt, was in ihrem Innern vorgeht, und ob hinter dem feinen Corfet 
auch fo etwas wie ein Herz OR Ueber diefem Frauenvolke leuchtet die 
Parifer Sonne; eine lichtblaue und 1 rofenrothe Modefärbung überwiegt durchaus; 
tiefere, kräftigende Schatten find in der hier dargeftellten Welt ebenfow enig 
wie in der ihr ganz entfprechenden Technik. Einen intereffanten Gegenfatz zu 
Alfred Stevens bildet JeanBapt. Madou, ein wohlbekannter Führer der neueren 
vlämifchen Richtung im Genrefach. In den Bildern mit zwei oder drei Figuren, 
die von ihm ausgeftellt waren, führt er ebenfo Männer aufser der Mode vor, wie 
Stevens Frauen nach der Mode malt: ift diefer ein Darfteller der glatten Elegan 
fo ift jener ein Maler des Schneidigen, der geiftreichen Charge. Er ift von dr 
älteren niederländifchen Genremalern angeregt; aber das fcharf Pointirte in 
feinen Bildern ift ebenfo wieder ein moderner Zug. Bei einer gewiffen Verw andt 
fchaft mit a älteren Technik und Beobachtungsweife ıft ihm doch das altnieder- 
ländifch 3ehagen ziemlich fern. Er fieht feine Figuren durch den fcharfen 
cher. an, den die Ironie an den Augenwinkel ecke, So diredt er auf das 
Charakteriftifche losgeht, fo fcheint er mir darin doch nicht mannigfaltig zu fein; 
   
  
 
	        
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