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Technik ein höheres Ziel wies, fo geht die Genremalerei dort grofsentheils in
dem technifchen Ziele auf. Sie ift zunächfit eine Domäne der malerifchen Ge-
fchicklichkeit.
Die bedeutenden Ausnahmen hievon find meift von älterem Datum. Nur
feltener erhebt fich das Genre zu einem inhaltsreicheren Situationsbild, das
durch Energie und humoriftifche Schärfe der Charakteriftik oder durch Ernft des
Gefühles, durch flimmungsvolle Haltung über die gewöhnlichere Behandlung
diefer Gattung hinausginge. Das vorzügliche Bild von Jofef Lies, „Der Feind
naht, ift eben nicht mehr das Werk eines lebenden Meifters. Franz Vinck’s
„Einzug eines Schützenkönigs“ übertrug die achaifrende Manier des Henri Leys
mit grofsem Gefchicke auf eine heitere Epifode des guten altniederländifchen
Bürgerlebens. Gegenüber diefen hellen farbigen Bildern breitet fich ein tiefer
Ernft über Conftantin Meunier’s „Begräbnifs eines Trappiften“ aus. Die Stim-
mung diefes Bildes ift in malerifchem wie in poetifchem Sinne gleich bedeutfam.
Intereffant ift es, die Belgier fich einmal auch zur Allegorie rückwenden
zu fehen, in welcher einft die flandrifche Kunft fich fo vielfach erging. Man weifs,
wie fiegreich das üppige Fleifch von Rubens auch in diefes abftracte Kunftgebiet
eindrang. So kühn geht Eugen Smits in feinem „Gang der Jahreszeiten“ aller-
dings nicht ins Zeug; gleichwohl weht uns aus diefem edel componirten Bilde,
was Umriffe und Stellung der Figuren, ja auch die coloriftifche Haltung betrifft,
fo ein Hauch aus dem XVI. Jahrhunderte der flandrifchen Kunft an. Wenn auch
nicht an das Gröfste, fo gemahnt uns das Bild doch an das Gute jener Zeit.
Die religiöfe Hiftorie ift durch eine fehr würdig gehaltene Mater dolorofa
von Meunier ziemlich vereinzeltvertreten; wo bringt fonft Belgien feiner vielen
Katholicismus in der Kunft unter? Wie Anton Jofef Wiertz in feiner ungeheue-
ren Leinwand den Engelfturz darftellt und die biblifche Mythe nach feiner Weife
ins ungeheuerlich Phantaftifche emportreibt, fteht diefem Berichte nicht an, weiter
auseinanderzufetzen. Es war wohllehrreich, jenes rieffige Gemälde und die Photo-
graphienfammlung nach den Hauptwerken von Wiertz auf unferer Weltausftel-
lung zu finden — übrigens gehört aber die nähere Beleuchtung diefes bereits
1803 verftorbenen Malers, der fich felbft eigenfinnig weit ab vom Wege ftellte
und bei dem Genialität und mit Methode betriebener Wahnfinn hart aneinandeı
grenzen, fchon völlig der Kunftgefchichte an.
Sowie die belgifche Gefchichtsmalerei fich an der porträtartigen Auffaffung
kräftigt und von ihr Beftimmtheit und Lebensfülle leiht, fo erhebt fich das Por-
trät felbft in fo vornehmer Nachbarfchaft zu einer edleren und bedeutfameren
Gattung. Das Erbe und der Kunftfegen der alten flanderifchen Maler fcheint da
noch immer nachzuwirken; wenn uns auch bei Gallait in dem Porträt des
Staatsminifters Dumortier und jenem des Herrn Saint - Paul de Singay ganz
moderne Menfchen entgegentreten, fo find fie doch mit jener malerifchen Beob-
achtungsgabe erfafst, die fich in Flandern und Holland von Van Dyk, Frans
Hals etc., wenn auch mit fehr veränderter Technik bis heute in gerader Linie ver-
erbt zu haben fcheint. Noch immer find die hervorragenden Belgier die Maler
des Individuellen, aber mehr in feiner ruhigen Erfcheinung, als in feiner adtiven
Aeufserung; daher der eminente Beruf zum Porträt. Hinter den Franzofen mögen
fie hierin an Verve und geiftreich kühner Behandlung, nicht aber an beftimmter
Kraft der Individualifirung zurückftehen; die Perfönlichkeit tritt klar und voll
aus dem Bilde in felbftredender Gegenwart. Alexander Robe rt’s Porträt des
dänifchen Malers Hägelftein, de Keyfer’s Porträt des Sir John Murray Naesmyth
und andere wären unter den wenigen, aber trefflichen Bildniffen in den belgifchen
Sälen da zunächft zu nennen.
In der Landfchaft der Belgier ift es auch wieder die Technik in beffe-
rem Sinne, welche die Wirkung meiftens entfcheidet. Ein klarer und fcharfer
Sinn für locale Motive und Naturerfcheinungen, die bei ihrer nicht allzugrofsen
Mannigfaltigkeit um fo genauer ftudirt werden können — ftatt der eigentlichen
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