Full text: Bildende Kunst der Gegenwart (Heft 75)

  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
   
   
  
    
  
   
   
  
   
    
  
   
   
    
  
   
   
   
    
   
   
   
  
   
   
   
   
   
    
   
    
   
   
    
   
    
   
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war diefes Bild eines der beftgemalten, coloriftifch glänzendften der italie- 
nifchen Ausftellung. Der leuchtende Körper in dem gar trefflich gehaltenen hell- 
dunklen Interieur, die neugierig guckenden, glücklich charakterifirten Mädchen 
und dazu der Blick durchs Fenfter auf die fchneebedeckten Dächer, das Alles 
gab ein fehr gut geftimmtes Enfemble. Ein franzöfifcher Zug geht auch durch ein 
anderes Bild desfelben Künftlers hindurch, welches eine Illuftration des Nonnen- 
ballets aus „Robert der Teufel“ verfucht. Wie dort mit der Sonne, operirte er 
hier mit dem Monde; nur ift mannichtganzim Klaren darüber, ob man es mit dem 
wirklichen oder dem Theatermonde zu thun hat. Es liegt immer etwas Bedenk- 
liches darin, Decorationseffecte der grofsen Oper wieder in das Staffeleibild zu- 
rückzuübertragen, namentlich wie hier, bei einem phantaftifchen Stoffe. Un- 
willkürlich beeinfiufst die Scenerie und künftliche Beleuchtung der Bühne den 
Blick des Künftlers; er reproducirt eine Opernreminifcenz, ftatt uns ein frei- 
concipirtes malerifches Märchen zu geben Bei alledem hat das Bild die volle 
Pikanterie des theatralifch Gefpenftigen und Abenteuerlichen. 
Auch in der Neigung zu malerifchen Orientreifen glaube ich eine 
franzöfifche Einwirkung wahrzunehmen. Wenn nichts Weiteres dabei erzielt wird, 
fo ift doch dasEine erreicht: dieSchwelgerei im fonnigen Licht und in refolut hin- 
gefetzten Localfarben. In diefem Sinne geht nach dem Orient auch die Mekka- 
fahrt der Coloriften. Profeffor Stefan Uffi aus Florenz macht uns nun geradezu 
zu Zeugen des Aufbruches einer grofsen Pilgercarawane nach dem heiligen Mekka. 
Es war das farbenberedtefte Bild der italienifchen Kunftfäle, voll Sonnenglanzes, 
heifsen Staubes und bunten Menfchengewimmels. Das Ganze kann als eine bril- 
lante ethnographifche Studie gelten, beiläufig fo, wie der Pyramidenbau von dem 
Berliner Guftav Richter; entfcheidend ift dabei der orientalifche Charakter, die gut 
getroffenen Typen und nicht das hiftorifche Zeitalter. Ueberhaupt exiftirt der 
ganze Orient für unfere Malerei blos ethnographifch, nicht gefchichtlich. St. Uffi 
gibt in feinem grofsen Gemälde in der That eine reiche und lebensvolle Zufam- 
menftellung typifcher Geftalten, zu einer Monftreproceffion mit allem dazu gehö- 
rigen Spedtakel vereinigt; Derwifche und Fromme, Gaukler und Schlangen- 
befchwörer, das treibt fich bunt und toll durcheinander, und doch behält dabei 
das Ganze eine harmonifche Haltung im Colorit und ift auch in jenem Sinne 
componirt, wie ihn ein fo weit gehender Realismus eben verträgt. Ganz in das- 
felbe Orientgenre, trotz des Hinweifes auf eine gefchichtliche Thatfache, gehört 
des Mailänders Tullus Maffarani anfpruchsvolles Bild, das uns die Verbren- 
nung der Alexandrinifchen Bibliothek verfinnlichen foll. Ich mufs fagen,, dafs es 
mir in der ausfchweifenden Willkür feiner Zufammenftellung, in feiner malerifchen 
wie hiftorifchen Buntfcheckigkeit, die das Fremdartigfte durcheinanderwirft, 
geradezu unbegreiflich war. Das ift ja ein Rendezvous von Masken aus ganz 
verfchiedenen Zeitaltern, und fonft auch nichts Anderes! Da fehen wir im Vorder- 
gsrunde die Saraftro-artige Geftalt wohl des letzten Alexandrinifchen Bibliothekars, 
ganz Opernfigur; daneben einen halbnackten Kerl mit dem altegyptifchen Schurz 
und dem Kopffchmuck der Uräusfchlange, aus einem alten Wandbild von Theben 
herabgeftiegen; in nächfter Nachbarfchaft ein paar gebräunte kriegerifche Ge- 
ftalten mit tartarifchen Phyfiognomien und ähnlicher Ausrüftung und Bewaffnung. 
Die Schätze der Alexandrinifchen Bibliothek, mit denen die Bäder Omar’s ge- 
heizt werden follen, find mittelalterliche Codices, in Schweinsleder gebunden, 
ftatt antiker Schriftrollen. Ohne allen denkbaren Grund wird im Hintergrunde 
eine nackte, nur mäfsig verfchleierteDame auf einer Tragbahre von einigen robuften 
Kerlen hereingetragen, der mehrere Frauen in jenem Theatercoftüme folgen, das 
wir bei dem Wartburger Sängerfeft in Wagners „Tannhäufer* zu fehen gewohnt 
find. Dazu lehnt fich rechts über eine Ambonenbrüftung mit Mofaikmuftern im 
altchriftlichen Bafilikenftil irgend ein Jude oder Araber, indefs weiter vorn eine 
völlig unbefchäftigte Odaliske auf einen Teppich fich hinftreckt, in deren Nähe 
der Maler, um die tolle Buntheit voll zu machen, noch ein epifodifches Frucht- 
  
 
	        
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