Full text: Bildende Kunst der Gegenwart (Heft 75)

   
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haarfcharf nach derfelben Richtung; fie faffen das, was er gemeint, im Kern und 
folgen ihm nicht blos, wie es fonft häufig in diefer Gattung der Fall ift, als 
fchwächlich nachdichtende Copiften. Es ift im Allgemeinen nicht rathfam, dafs 
die Maler fich ihre Bilder herbeilefen; in diefem Falle, wo die malerifche Anfchau- 
ung mit folcher Beftimmtheit hinzutritt, kann man fich jedoch die Illuftrations 
kunft fchon gefallen laffen. 
Doch auch da, wo die Engländer die wirkliche Gefchichte unmittelbar 
im Bilde darftellen und fie nicht blos dem hiftorifchen Romane nachmalen, ver 
halten fie fich der Auffaffung nach mehr illuftrirend, als dafs fie fich eine eigentlich 
hiftorifche Compofitionsaufgabe ftellen würden. Hier auch geht ihre Tendenz aut 
das Charakteriftifche, nicht auf den idealen Augenblick in der Begebenheit, der 
künfllerifch fixirt und verewigt werden foll. „Des Herzogs von Argyli letzter 
Schlaf“ von E.M. Ward, in lebensgrofsen Figuren gemalt, macht hievon wohl 
eine Ausnahme und geht fchon im Format über die gewöhnlichen Abfichten des 
hiftorifchen Genrebildes hinaus; auch ift die tiefe und ernfte Haltung der Farbe 
fehr abweichend von dem feinen grauen Silberton und der fülsen bunten Färbung 
benachbarter Bilder, fchon coloriftifch zufammenftimmend mit dem tragifchen Vor 
wurf des Gemäldes. Unter den Aquarellen hat Gilbert’s „Einzug der Jungfrau 
Jeanne d’Arc in das befreite Orleans“ einen hiftorifch bedeutenden Zug und eine 
Breite und Kraft des Vortrages, wie man fie kaum bei den Oelgemälden im 
benachbarten Saale vorfand. 
Dagegen nimmt Yeames in dem Bilde „Königin Elifabeth den franzöfi- 
{chen Gefandten nach der Bartholomäusnacht zur Audienz empfangend“ feinen 
Gegenftand beiläufig fo, als ob er zuerft für eine grofse illuftrirte Zeitung ent 
worfen und dann erft in Farben übertragen wäre. Der Moment ift wohl fehr 
bezeichnend mit grofser vergegenwärtigender Kraft charakterifirt; aber in diefer 
Weife ift man gewohnt, einen fenfationellen Staatsadt illuftrirt, nicht das hiftorifch 
Bedeutfame malerifch ausgedrückt zu fehen. 
In der englifchen Genremalerei begegnen fich zweierlei Züge, von 
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denen man doch glauben follte, dafs fie fehr ferne abftehen: das Phlegma und die 
Sentimentalität; der Humor geht fo zwifchen durch. Empfindfame Stimmungen 
drücken fich nicht blos im Genre aus, fie verbreiten auch ihre Reflexe über die 
regenfeuchten Horizonte der meift elegifch gehaltenen Landfchaften, in denen 
auch der übliche Regenbogen felten fehlt. Der treffliche Philipp Calderon, der 
in dem köftlichen Bilde „Nach der Schlacht“ einen fehr gefunden Humor ausfpielt, 
läfst in einem anderen Gemälde „die Seele in das Antlitz der Geliebten fich 
ausfeufzen“; S. L. Fildes („Stille und füfse Ruhe“) treibt gelellfchaftliche Con- 
templation im Bilde und G. F. Watts malt fogar einen Todesengel. In diefe 
fentimentale Stille fchallt der Lärm ganz aufmunternd herein, den die fchottifchen 
Schuljungen des verdienftvollen, bereits hingefchiedenen Sir GHarvey machen. 
Man fieht daraus, dafs die Freude über „die entlaffene Schule“ unter der Buben- 
fchaft in aller Herren Länder gleich grofs ift. Auch Mar k’s „Zug der Bettler zur 
Stadt“ ift trefflich gemalt und humoriftifch fehr gut charakterifirt. 
Unter den Volksfiguren, die, wie es fcheint, in der modernen englifchen 
Malerei nur befchränkteren Zutritt finden, ift manches Vorzügliche. In erfterStelle 
der „Fayencehändler* von Nicol, ein Mufterftück jener {charf detaillirenden 
englifchen Charakteriftik, die den Menfchen fo genau ins Geficht, ja bis in das 
Gebifs des Mundes hineinfieht. Wir hätten da ein glänzendes Beifpiel jener Genre- 
idualifirt, nicht den Typus oder ein Stück Volks 
leben, fondern immer nur den einzelnen Mann als folchen fieht. — Dafs in der 
englifchen Malerei neben den verfchiedenen, wohl aufgetakelten Fahrzeugen und 
Marinen auch das Schiffsvolk feine Vertretung im Genre finden mufs, verfteht fich 
von felbfl. Von J. C.Hook („Des Schiffsjungen Brief“, „Aufhiffen der Segel“ 
gab es in diefem Fache zwei bezeichnende Bilder. Hie und da klingt auch ins 
Volksbild ein leifer Ton der Sentimentalität, aber daneben auch eine vollere und 
kunft, die ganz porträtmäfsig indiv 
   
  
  
   
  
  
   
  
  
  
   
   
  
  
  
  
   
   
  
   
  
  
   
   
   
  
  
   
  
  
   
   
  
  
   
  
   
  
    
  
  
  
  
   
  
  
  
  
   
  
   
  
  
  
   
   
  
  
  
  
   
  
  
   
   
  
  
	        
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