Full text: Bildende Kunst der Gegenwart (Heft 75)

     
   
   
   
   
  
  
  
  
  
  
   
   
  
   
   
  
  
  
  
  
  
  
  
   
   
   
   
   
  
  
  
   
    
   
  
   
  
   
  
  
    
    
     
   
   
   
  
6) 6 Dr. Jofef Bayer. | 
I | ernftere Empfindung hinein. So befonders in den durch Reproductionen lang 
| bekannten Bildern von Faed, deren unmittelbare Bekanntfchaft aus der Welt- 
nach fei 
| 
ders hie 
| ausftellung fchon defshalb, weil fie einen Höhepunkt der englifchen coloriftifchen gewiffes 
! Technik bezeichnen, fehr intereffant fein mufste. „Die drei Waifen auf dem Fried- mächtig 
hofe im Hochland“ find wohl die bedeutendften unter den vielen Darftellungen, mehr $c 
HI in denen der mitleidsvolle Cultus des Waifenkindes von Italien bis zum Norden lifirende 
in der Kunfthalle gepflegt wurde ; bei dem berühmten Bilde „Der Letzte feines liebevol 
Stammes“ genügt die einfache Erwähnung, um die bedeutende Wirkung deffelben | nungen 
in Erinnerung zu bringen. 7 
Wenn man die wenigen Bilder, welche Figurenausdem Volke dar- | bezeichı 
ftellten, durchmuftert, fo hat man den Eindruck, als ob fie alle die Probe des Ein- jede deı 
laffes in das Vorzimmer beftehen könnten: fie find fein, anftändig und manierlich, künftler 
haben ihr fauberes Sonntagskleid an und Exceffe find von ihnen ebenfowenig zu des hei: 
befürchten, als man von ihnen eines freudigen, vollen Ausbruches des Volks- | Themfe 
naturells gewärtig fein kann. Auch werden die Lente aus dem Volke nur einzeln in der B 
in dem fafhionablen Salonbilde vorgelaffen, nıcht in gröfserer Menge, wo es doch tönende 
nicht fo ruhig herginge. Das Interieur der Bauernstube und der Dorffchenke mit | Seite tr 
ihrer Gemüthlichkeit und ihrem ftellenweife nicht ganz corredten Behagen — | Schauftü 
diefes Lieblingsthema des deutfchen Genrebildes ift der englifchen Kunft fremd, | nahm. 
fowie auch das englifche Volksthum kein rechtes urfprüngliches Bauernleben mehr | 
aus; auc 
hat. Dagegen dürfte das vornehmere Gefellfchaftsbild dort eine weit gröfsere 
mit grän 
3edeutung noch haben, als man es aus einigen, wirklich auserlefenen Proben der Natur d: 
Ausftellung völlig entnehmen mag. An diefer Stelle it die nüchterne Eleganz | Landfch 
der Farbengebung die ziemlich behutfame Delicateffe des Pinfels faft fymbolifch wogen, { 
für die refervirte anftändig kühle und gemeffene Haltung des gefellfchaftlichen | kungen 
Lebens in England. Die kräftige und entfchiedene Färbung der Franzofen, das landen“. 
leichtfertig elegante Modecolorit eines Stevens wäre als malerifches Ausdrucks- zuheben, 
mittel geradezu ein Attentat gegen die englifchen Gefellfchaftsideen. Jenes fchöne | dämmerı 
| Bild vonFildes, das wir unter feinem fentimentalen Titel fchon früher erwähnten, fchaftsbi 
eine Wafferpartie junger Herren und Ladies mit obligater Mufikbegleitung, ift fo | & 
ein Stück gefellfchaftlicher Poefie nach englifchem Gefchmacke. | im Thier 
In mehr realiftifchem Sinne geleitet uns Frith in die elegante Societät die wir 
des Seebades von Ramsgate und fordert uns gleichfam auf, feine bezeichnenden Aquarel 
und ergötzlichen Gruppen durch die Lorgnette zu betrachten. Er weifs uns dabei feiner fo 
auch malerifch für die Luft- und Reflexwirkungen feines feinen und geiftreichen. hat das 
Bildes im höchften Grade zu intereffiren. In gefchloffenem Raume fpielt das manier c 
Behagen englifcher Häuslichkeit in der milden Beleuchtung des Bildes, auch da, und Glu 
wo es eine Decoration aus früherer Zeit aufftellt, wie bei der trefflichen „Schach — fie fi 
partie“ von Horsley. Sonft greift das Genre in wenig andere Gebiete hinüber. diefem S 
Lewis: „Eine Strafse in Cairo“, Hod glon: „Der Schlangenbändiger“) macht 
Das ethnographifche Studienbild (Elmore: „Auf den Dächern der Häufer“, John | Engländ 
wirkend: 
die orientalifche Mode mit und importirt aus dem Often einigen warmen Sonnen eine leic 
fchein und kräftigere Localfarben in die englifche Malerei. Das Genre mit idealem | liegt, fie 
Anfluge gräcifirt ein wenig, wie das trefflich componirte und gezeichnete Bild von | charakte 
Leighton, einem Schüler Steinle’s in Frankfurt, das fich „Kleobulus und Kleo- | voll Vert 
bule“ nennt; aber der antike Stoff ift mit falonfähigem Clafficismus ganz novel- wie die ı 
liftifch behandelt. Findet die Mythe manchmal Einlafs, fo bedarf dagegen die | M 
englifche Hochkirche keinen legendarifchen Succurs. In der englifchen Salon- | denen W 
kunft — und eine folche ifl ja ausfchliefslich die Malerei des britifchen Infel- F. Wall 
landes — wird derHerrgott aus dem Spiele gelaffen. Man hat dort fo viel ofhiciöfe entwicke 
Andacht, eine fo ftreng eingehaltene Sonntagsfeier, dafs man darüber die religiöfen gegenüb 
Anklänge in der Kunft wohl entbehren kann, 
Die englifche Landfchaftsmalerei müfste man an Ort und Stelle ein. 
gehend ftudiren, um über fie ein ganz zutreffendes Urtheil abzugeben. Sowie fich 
überhaupt die landfchaftliche Natur im Bilde nach dem Menfchen richtet, das ift 
  
  
   
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