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Der Pavillon des kleinen Kindes. 13
mürrifch auf den einen Arm geftützt, und dadurch unnatürlich und unfchön ver-
fchoben und verzerrt; ein unerfreuliches Gegenbild.
Die Kinder, welche den Pavillon befuchten, konnten fich eine gute Lehre
daraus ziehen, was fie meiden und was fie nachahmen follten ; denn der Arzt mufste
ihnen fagen: Wenn Ihr wie das hübfche heitere Kind fitzet, werdet Ihr wachfen und
gedeihen; wenn Ihr wie das verdriefsliche Kind hockt, werdet Ihr verkümmern und
verkrüppeln.
Das Vorbild des auf einem Seffel sitzenden Kindes gilt eben nur bei Völ-
kern, welche auf Seffel und Stühlen fitzen, wie die abendländifchen Völker, es
ift kein allgemeines Vorbild und gilt nicht bei Völkern, welche auf niedrigen
Polftern fitzen oder auf Teppichen hocken wie die Orientalen, bei ihnen führen
aber auch nicht fo viele Berufsgruppen „eine fitzende Lebensweife“ wie bei den
abendländifchen Völkern. Bei diefen müffen alle Kinder vom fechften bis zum
zwölften und vierzehnten Lebensjahre auf der Schulbank fitzen, die Jünglinge auf
Univerfitäten und anderen Lehranftalten bis in das zwanzigfte Lebensjahr, und wenn
die Kinder nach der Schulzeit in die Werkftätten der Weber, Schneider, Schutter,
Sattler, Goldarbeiter, Graveure u. s. w., die Jünglinge von der Hochfchule in die
Schreibftuben der Aemter, der Advocaten, der Buchhaltungen und Correfpon-
denzen und an die Schreibpulte der Lehrer und Gelehrten kommen, fo fitzen fie
lebelang. Auch ein grofser Theil der Frauen ift während der Schulzeit,und durch
das ganze Leben zur fitzenden Lebensweife beftimmt und es ift daher gewifs nütz-
lich und nothwendig, wenn die Kinder fchon frühzeitig zweckmäfsig „[itzen ler-
nen“, um gerade und gefunde Gliedmafsen und im weiten Bruftkorbe eine aus-
gebildete Lunge zu erhalten. Die Haltung des Sitzenden ift aber durch die Unter-
lage, fei es der Arm der Muiter, ein Stuhl, ein Seffel oder eine Bank, bedingt.
So lange die Kinder auf den Armen getragen werden, find fie von den
Trägern abhängig, auf diefen liegt die Verantwortlichkeit, dafs die kleinen Kinder
beim Tragen nicht verkrummen oder fonft Schaden leiden.
In dem Pavillon war ein drittes Paar Statuetten aufgeftellt, von denen die
eine zeigte: wie das Kind auf dem Armegetragen werdenfoll, und
eine zweite anfchaulich machte, wie es beim Tragen eine fchiefe, der leiblichen
Entwicklung nachtheilige Haltung nimmt, die vermieden werden foll.
Eine weitere Reihe von zwölf Statuetten, nach den Angaben desk.k. Hof-
rathes Dr. Hermann Widerhofer, von Profeffor Taflara ausgeführt, ftellen
Mütter von verfchiedenen Volksftämmen aus allen Theilen der Erde dar, wie fie
nach der Volksfitte ihr Kind tragen, und man konnte fie mit dem Vorbilde ver-
gleichen, welches der Kinderarzt als die befte Art des Tragens anerkennt.
Wenn nicht alle Mütter ihre Kinder immer in muftergiltiger Weife auf dem
Arme tragen, fo liegt wohl eine Entfchuldigung darin, dafs es eben fehr fchwer ift,
ein Kind lang auf dem wagerecht ausgeftreckten Arme zu tragen und dafs die Wär-
terin das Kind bald auf den rechten bald den linken Arm nimmt, und zur Abwechs-
lung wohl auch auf dem Rücken huckepack trägt, um die Arme ausruhen zu laffen,
befonders auf langen Wegen. Anfteigend auf ein Gebirge kann die Trägerin das
Kind nur auf ihrem Rücken liegend, am bequemften für die Mutter und das Kind,
ausdauernd tragen.
Die Mutter pafst dem fitzenden Kinde in jeder Haltung ihren Arm an; das
foll nun der Seffel, foweit es möglich ift, erfetzen. Die Füfse müffen aufruhen
können, denn herabhängende Füfse ermüden und das Blut kreift weniger gut. Der
Seffel mufs eine zweckmäfsige Höhe haben, damit das Kind, welches auf dem
Tifche vor fich fein Spielzeug hat, fchreibt oder in anderer Weife befchäftigt ift,
in gerader Haltung bleibt. Wenn die Tifchplatte zu niedrig ist, und das Kind
fich tief bücken mufs, fo krümmt es in gefährlicher Weife den Rücken; ift die
Tifchplatte zu hoch, fo wird es veranlafst, die Gegenftände zu nahe an die Augen
zu bringen, und wird kurzfichtig.
Im Pavillon des kleinen Kindes waren mehrere Kinderfeffel ausgeftellt.