Full text: Der Zeichnen- und Kunstunterricht (Heft 36)

4 J. Langl. 
fich nn bilden können und durch die Kunftübung zum Begreifen der 
Kunft befähigt werden. Die Erfahrung hat in diefer Richtung in Oefterreich ftets 
ihren E influfs auf die betreffenden Gefetze geltend gemacht, und wenn wir diefe 
von den fünfziger Jahren an bis zur Gegenw: art überblicken, fo fehen wir, wie fich 
die Lehrpläne Für das Zeichnen an den Mittelfchulen allmälig präcifirten und die 
zefetzlichen Normen auch den methodifchen Theil desfelben: in ein einheitliches 
Geleife zu bringen fuchten. Die letzte diefsbezügliche Verordnung datirt vom 
September 1873 und enthält für die Volks- und Mittelfchulen den detaillirten 
Lehrplan für das Freihand-Zeichnen mit den oben dargeftellten Tendenzen. 
Das Hauptgewicht ift darin auf das Zeichnen plaftifcher Modelle gelegt, und wit 
es nun die Sorge der Regierung fein müffen, für die Kunfterziehung auf diefem 
Wege auch den nöthigen Ahper at an Unterrichtsmitteln den Anftalten zugänglich 
zu machen, ein Punkt, welcher auch vom „kunftwiffenfchaftlichen Congrefs“ 
befonders betont wurde. Die Erfahrungen, die auf der Weltausftellung in Bezug 
auf den Zeichenunterricht neuerdings gemacht wurden, dürften wohl zur För- 
derung des guten Princips in mancher Hinficht dienlich fein, und fei es dem Refe- 
renten geftattet, hier in kurzem Umrifs den Standpunkt darzulegen, zu welchem er 
durch eigene pädagogifche Erfahrung und durch den Einblick in die Refultate der 
auf der Weltausftellung vertretenen diverfen Unterrichtsanftalten gekommen itt. 
Darüber ift wohl die ganze zeichnende Welt einig, dafs im Unterrichte auf 
der erften Stufe mit den geometrifchen Formen Be und vorerft das Ornament 
bis zu einem gewiffen Grade gefchult werder mufs, bevor zum Figuralen über- 
segangen werden kann. Meinungsdi ffe na feh nurin Bezug af Methodik; 
nämlich „wie foll der eine und der andere Theil gelehrt werden“, auf das Ausmafs 
derfelben und die hiezu zu verwendenden Mode lle. Das Ornament, fo lange es 
im wahrften Sinne des Wortes Ornament bleibt, und fich nicht in die variablen 
Naturformen wie in der Barokzeit verliert, conftruirt ‚fich ftets in einem beftimmten 
Tact, welcher für die Form Gefetz ift. In der Art diefer rythmifchen Entwicklung, 
gleichfam in us Eigenthümlichkeit des Wachsthumes des Ornamentes liegt di 
Charakteriftik der ee Stile; deshalb ift es fir den Unterricht unum- 
gängliche Nike ndigkeit, foll der Schüler in den Organismus diefer Formenwelt 
Einblick erhalten, < fat der a le die Geftalten felbft entwickelt: alfo an deı 
Tafel vorzeichnet. Keineswegs wird aber das Heil der äfthetifchen Erzie enan. 
allein in der Kenntnifs aller vorhandenen Ornamentenftile zu fuchen fein; die 
formale Bildung wird diefs fordern ; die Weiterentwicklung der äfthetifchen Bildung 
aber wird nur in dem Studium des Beften, was die Völker des Erdballes bisher 
gefchaffen, fich vollziehen, und werden in der Auswahl der Motive für den Unterricht 
die hellenifehen, römifchen und Renaiffancedenkmäler in erfter Linie zu 
beachten fein; nebenbei wird aber auch die Natur, die Quelle aller ornamentalen 
Formen, berückfichtigt werden müffen. 
Da aber das Ornament ein wenn auch nicht leb- fo doch feelenlofes 
Gebilde ift, und das Studium desfelben zum Verftändnifs der Kunft in den Schulen 
für allgemeineBildung nur als ein technifch vorbereitendes betrachtetwerden mufs, fo 
ind fobald de YSchül er diefe „Formen im Rythmus“ corredt wiederzugeben verfteht, 
  
und das Technifche im Darftellen hinter fich hat, das eigentlich bilde nde Studium 
der geiftig gehaltvolleren Formen in der menfchlichen Geftalt anzutreten haben. 
Hier lernt er Seelen durch die Formen kennen, lernt Charaktere fondern, und 
zugleich die Kunft in ihren Meifterwerken kennen, indem er nach ausgewählten 
Muftern fich die Technik im Vortrag aneignet. Die neueren franzöfifchen: Vorlage- 
werke gehen alle von diefem Standpunkte aus, und ein unfchätzbares Hilfsmittel 
efitzt die Gegenwart in den Facfimile-Reprodudtionen in der Photographie. Der 
ee im figuralen Zeichnen mufs vom Charakteriftifchen, dem Grellen; Auffallen- 
  
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Unterrichtsminifteriums über die Collecdtiv 
      
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