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ift diefs aber heutzutage noch möglich? — Der Geift der Gegenwart reifst Alles
mit fich fort, und wer ftille fteht, geht rückwärts! Ungarn mufs miteilen, fo gut es
eben geht; hat aber forgfältig im Hintergrunde feine gewaltigen Lücken aus-
zubauen, die eine brachgelegene Vergangenheit gefchaffen hat. Erft dann, wenn
eine geiftige Communication nach allen Richtungen hergeftellt fein wird, ift ein
reelles Produciren auf dem Gebiete der Kunft und Wiffenfchaft zu erwarten. Alles
vorreife Zufammenraffen kann nur ein haltlofes Bild geben, welches entweder auf
fremden Stützen balancirt oder im leeren Scheine brillirt.
Die ungarifche Ausftellung mufste auf denjenigen, welcher es wahr mit der
Sache nimmt, diefen Eindruck machen. So lange die magyarifchen Künftler ihre
Ausbildung ausfchliefslich in auswärtigen Ländern erhalten, ift deren Kunft keine
ungarifche; fo lange der Induftrie ihre Formen und ihre gefchickten Arbeiter
nicht im Lande felbft erzeugt werden, ift fie keine nationale. Das Streben, natio-
nale Elemente zu veredeln, ift nach diefer Richtung überhaupt gar nicht vor-
handen, trotzdem das Land einen bedeutenden Denkmäler-Reichthum und eine
ganz originelle Volksinduftrie befitzt. Ungarn hat im letzten Jahrzehnt mehr für
die Kunftpflege gethan, als früher in Jahrhunderten gefchehen war. Sammlungen
wurden angelegt oder reorganifirt, Vereine zur Hebung der Kunft gegründet,
Schulen errichtet, Stipendien creirt und reiche Aufträge heimifchen Künftlern
gegeben. Die Früchte diefer Beftrebungen hat denn die Zukunft zu bringen.
Als Centralftelle für die Pflege des Kunftunterrichtes im weiteren Sinne,
wurde eine Anftalt ins Leben gerufen, welche in ihrer Organifation den gegen-
wärtigen Verhältniffen entfprechend für die Hebung des genannten Bildungs-
gegenftandes vom wohlthätigften Einfluffe fein wird. Es ift diefs die königl.
ungarifche Landes-Zeichnenfchule und das damit verbundene Zeichnenlehrer-
Seminar in Peft. (Eröffnet 1. November 1871).
Es können Verordnungen und Gefetze im Unterrichtswefen zu keiner
rationellen Durchführung gelangen, wenn nicht befähigte Lehrkräfte hiezu vor-
handen find. Wenn auch fchon in der von der Königin Maria Therefia heraus-
gegebenen „Ratio educationis publicae* der Zeichenunterricht für die Elemen-
tar- und höheren Normalfchulen beftimmt erfcheint, fo wird man doch vergebens
nach den Spuren irgend welcher Refultate fuchen. Es fehlten eben Lehrer und
Lehrmittel. Diefem Mangel foll nun durch die neu ins Leben gerufene Anftalt vor
Allem abgeholfen werden. Seit dem Beftehen der Realfchulen, in welchen der
Zeichenunterricht. eine bedeutendere Rolle zu fpielen hat, wurde das Bedürf-
nifs officielle Nothwendigkeit; überdiefs wurde in Ungarn der Zeichenunter-
richt obligatorifch an den Gymnafien eingeführt.
Was nun die Einrichtung der genannten Schule anbelangt, fo war es
ganz angezeigt, ihr mehr den Charakter einer höheren Kunftgewerbe-Schule
mit befonderer Rückficht auf die freien Künfte zu geben, als den einer Kunft-
akademie, welche, wie fchon einmal der Verfuch lehrte, weder der Kunft noch
der Induftrie unter den obwaltenden Verhältniffen viel Nutzen fchaffen würde.
Die Diredtion wurde in die Hände des Herrn G. Keleti gelegt, welcher im
Auslande die reichften Studien über den Kunftunterricht gemacht hat und nach
feinen Erfahrungen auch die Schule organifirte.
Der Hauptzweck diefer Lehranftalt ift es denn, Zeichnenlehrer zu bilden,
welche den Forderungen der Gegenwart und den gefteigerten Bedürfniffen des
Landes genügen; ferner auf die Entwicklung der heimifchen Induftrie durch kunft:
gewerblichen Unterricht fördernd und veredelnd einzuwirken, dann aber auch
begabtere Schüler für den künftlerifchen Beruf gründlich vorzubereiten.
Diefe vorgefteckten Ziele fucht die Anftalt theils durch praktifche
Anweifung in allen drei Fächern der bildenden Künfte, theils durch einfchlägige
wiffenfchaftliche Lehrcurfe zu erreichen.
Die Anftalt befteht fomit::
Aus einer gemeinfchaftlichen Vorbereitungsclaffe.
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