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Der Zeichen- und Kunftunterricht. 43
fchliefsen fich einfache Gypsmodelle und Geräthe unter Berückfichtigung von
Licht und Schatten.
In den Mädchenclaffen wird dann noch in der oberen Abtheilung das
Zeichnen von Stickmuftern angefchloffen, und werden die Schülerinen zunächft
mit den wichtigften Elementarformen vertraut gemacht, dann zum Abändern und
Benutzen einer gegebenen Form für verfchiedene Zwecke geführt und fchliefslich
zum felbftftändigen Erfinden angeleitet.
In der Gewerbefchule wird ausfchliefßslich nach Modellen gezeichnet, und
zwar im Anfang mit Contouren und allmälig zum Schatten fchreitend, dabei aber
die verfchiedenen Darftellungsmittel berückfichtigt. Das figurale Zeichnen wird
nur von jenen Gewerbebefliffenen geübt, die derfelben in der Praxis bedürfen.
Die ausgeftellten Arbeiten bewiefen, dafs an der Anftalt alle Richtungen
des Zeichnens gewiffenhafte Pflege finden, dafs dem Ornamente das Studium der
Blume zur Seite fteht und es nicht verfäumt wird, auch die Selbftthätigkeit im
Erfinden anzuregen.
Die Objecte, welche aus den Fachcurfen der Decorateure, Möbeltifchler etc.
vorgelegt waren, zeigten in dem zweckmäfsigen, einfachen Aufbau der Formen
und in der richtigen Geftaltung und Anwendung des Ornamentes, dafs die Schule
dem Fortfchritte in Bezug auf Reform des Gefchmackes, welcher fich in England
und Oefterreich Bahn bricht, mit regftem Eifer folgt. Es werden bei der Dar-
ftellung der Gegenftände, die nicht als Bilder auf dem Papier zu gelten haben,
fondern nur für die praktifche Ausführung gefchaffen werden, die leichteften Mittel
angewandt und alle überflüffige Malerei und zeitraubende Ausführung vermieden.
An der Anftalt wird nur gezeichnet und modellirt und ift es dem Fleifse
und der Thunlichkeit der einzelnen Schüler überlaffen, in ihren Werkftätten Ent-
würfe, die fie in der Schule unter der Leitung ihrer Lehrer machen, auszuführen.
Es ift diefs ein treffliches Mittel, die Vortheile der Schule unmittelbar in das
Gewerbe zu verpflanzen und dadurch das Intereffe für die Schule in den Kreifen
der Induftriebefliffenen rege zu halten. Einzelne Objedte, welche auf diefe Weife
durch die Anttalt gefchaffen wurden, waren auch ausgeftellt und zeugten von ganz
edler Gefchmacksrichtung. Befonders hervorragend waren davon die Tifchler-
arbeiten. In den Modellirungen (in Gyps und Wachs) waren ornamentale und
figurale Vorwürfe behandelt und verdiente die exadte, ftrenge Behandlung der
Formen volles Lob.
Ebenfo fyftematifch wie im Freihand-Zeichnen wirdauchim Linearzeichnen
vorgegangen, und finden die geometrifchen Conftrudtionen ftets in praktifchen
Beifpielen ihre Anwendung. Ganz tüchtige Arbeiten lieferte befonders die Schule
für Bau-Handwerker, aus welcher auch fehr hübfche bauliche Entwürfe vorlagen.
Der Vortrag war in den Zeichnungen ebenfo präcis als einfach, und waren nirgends
fogenannte Ausftellungsblätter zu finden, die fonft blofs die Augen der Laien zu
feffeln berufen find.
Sehr gute Arbeiten lagen auch von der feit 1870 unter der Aufficht und
Verwaltung derallgemeinen Gewerbefchule ftehenden St. Pauli-Gewerbefchule vor.
Brillirten die Hamburger Gewerbefchulen auch nicht in pomphaften
Tableaux, und begnügten fie fich, in befcheidener Form ihre Leiftungen dem
Urtheile des Publicums vorzulegen, fo zogen fie gerade durch ihr ungefchminktes
Auftreten die Aufmerkfamkeit der Fachmänner in hohem Grade auf fich, und
konnten fich die Leiftungen von allen Seiten ungetheilter Anerkennung erfreuen.
Das Inftitut hatte faft feine fämmtlichen Lehrkräfte zum Befuch der Aus-
ftellung nach Wien gefchickt und dürften die dafelbft gemachten weiteren Erfah-
tungen das Aufblühen der Anftalten um fo mehr fördern. *
* Es war nur zu bedauern, dafs dem Hamburger gewerblichen Mufeum diefsmal wenig
Mittel zur Verfügung geftellt waren, um Einkäufe von kunftinduftriellen Gegenftänden auf der
Weltausftellung zu veranlaffen, in welcher Hinficht die Sammlungen Deutfchlands, Oefterreichs
und Rufslands reichlicher bedacht waren.