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10 Dr. Emanuel Hannak.
und kirchlichen Freiheit als bereits zurückgelegt verzeichnen konnte, fo kann
die Wiener Weltausftellung fchon nahezu die Vollendung desfelben begrüfsen.
Und gerade in dem Gefchichtsunterrichte machen fich die genannten Factoren
in eminenter Weife geltend. Es genügte nicht mehr die Gefchichte eines befonderen
Staates, einiger Momente aus dem Leben feiner Particularherrfcher, aus den
kirchlichen Bewegungen des Volkes den höher geftiegenen Bedürfniffen der
Schule. Von der durch kirchliche und dynaftifche Rückfichten eingeengten Landes-
gefchichte fchritt man zur objectiven Gefchichte des ganzen deutfchen Volkes
und des ganzen Menfchengefchlechtes vor. Man behielt nicht blofs eine beftimmte
Kirche oder eine beftimmte Dynaftie im Auge. Die ganze Menfchheit in ihrer
allmäligen Entwicklung kennen zu lernen, das wurde das Ziel des Gefchichts-
unterrichtes ; die objective Wahrheit zur Darftellung zu bringen, das Beftreben
feiner Lehrer.
Zuerft war es Baden, das die Volksfchule in den Jahren 1862 bis 1864
vom kirchlichen Einflufs emancipirte, ihm folgte Würtemberg im Jahre 1805,
Baiern 18609, zuletzt kam Preufsen 1872 und Sachfen 1873. In den neuen
Schulordnungen aller diefer Länder erfcheint die Gefchichte ohne Befchränkung
auf das Vaterland als Gegenftand der Volksfchulen. Dafs die deutfche, und in
Unterordnung unter diefer die Landesgefchichte hauptfächlich betont wird, ift
felbftverftändlich.
So ift, um einzelne Beifpiele anzuführen, inBaiern für die zweite Claffe der
Volksfchule (Erlafs vom 21. September 1869) vorgefchrieben: Erzählungen über
die älteften Bewohner Baierns, von der Verbreitung des Chriftenthums, von dem
fegensreichen Wirken baierifcher Regenten, namentlich der Wittelsbacher; für
die dritte Claffe Gefchichte, mit befonderer Rückficht auf die Vaterlands- und
deutfche Gefchichte. Einzelne Kaifer und einzelne Epochen find ausführlicher zu
behandeln.
Und in Preufsen hat das liberale Minifterium Falk mit Erlafs vom
15. October 1872 für Volksfchulen Lebensbilder aus allen Zeiten der Gefchichte
des deutfchen Vaterlandes mit Berückfichtigung der culturhiftorifchen Momente,
für die Bürgerfchulen, die den gehobenen Volksfchulen entfprechen, Biographien
aus der Gefchichte aller Zeiten verordnet.
Inden unteren Claffen wird die Gefchichte meift nur im Anfchluffe an die
dentfchen Lefebücher gelehrt, in den oberen Claffen find häufig auch befondere
Leitfäden üblich. Früher pflegte man fich mit armfeligen Skizzen, mit Zahlen und
Namensverzeichniffen zu begnügen. Noch heutzutage hat diefe Methode, von den
Leitfäden für die Landesgefchichte abgefehen, ihre Vertreterin Dielitz’s „Grund-
rifs der Weltgefchichte“ Berlin, R. Laffer, oder in dem „Wiederholungsbuch für den
geographifch-gefchichtlichen naturkundlichen und deutfchen Unterricht in Volks-
und Bürgerfchulen vonSchumacher, Wrede und Anderen“, Berlin, Oehnigke,
1872, wo auf 42 Seiten die ganze Weltgefchichte abgethan ift; oder in dem Werk-
chen „Die nothwendigften gefchichtlichen Zahlen, bearbeitet von einem Lehrer-
kreifein Dresden.“ Dresden, C. CE. Meinhold & Söhne und Andere. Kein Zweifel,
dafs Namen und Zahlen das Gerippe der Weltgefchichte bilden, und darum dem
Kinde wohl eingeprägt werden müffen. Aber auf der unterften Stufe verlangt der
kindliche Geift faftigere Koft. Darum trat das Beftreben zu Tage, der Jugend den
gefchichtlichen Stoff in einer anmuthigen Form zu bieten. Mit Vorliebe gruppirte
man die wichtigften Begebenheiten um eine Perfönlichkeit,„ mit der man die
Jugend durch eine ausführliche Schilderung vertraut macht. Es entftand die
biographifche Methode, die noch immer mit Vorliebe auf der unterften
Stufe des Gefchichtsunterrichtes feftgehalten wird. Werke, die in diefer Form
abgefafst erfcheinen, find z.B. Spiefs’ fächfifche Gefchichte, Dresden 18067, in
Sachfen verwendet, die Biographien deutfcher Kaifer von Carl dem Grofsen an
von G. Waitz, in Würtemberg im Gebrauch. Doch laffen fich für jede Gefchichts-
epoche nicht immer Perfönlichkeiten finden, und es wäre gefehlt, wollte man