Full text: Musikalische Lehrmittel und das musikalische Erziehungs- und Bildungswesen (Heft 8)

  
10 Rudolf Weinwurm., 
Lehrkräften — die Regierung fchickte, wie aus anderen Stellen jenes Berichtes 
hervorgeht, einige befonders begabte Lehrer ins Ausland, damit fie die Kenntniffe 
in ihrem fpeciellen Fache ergänzen und fie nach ihrer Rückkehr den Volksfchul- 
Lehrern mittheilen, für welche Ergänzungslehrgänge in verfchiedenen gröfseren 
Städten des Landes angeordnet wurden. Dadurch wurde auch die Methode des 
Gefangunterrichtes — über welche wir noch weiter unten zu fprechen haben 
werden — in vielen Theilen des Landes eine einheitliche. Weiter führt jener 
Bericht an, dafs in das Budget der Jahre 1871 und 1872 je 2500 Gulden als 
mufikalifche Stipendien und Unterftützungsgelder eingeftellt waren und dafs mit 
einem gleichen Betrage das Pefter Nationalconfervatorium unterftützt wurde. 
Diefes hatte im Jahre 1871 12 angeftellte Mufiklehrer und 217 Schüler und leiftete 
bei nur geringem jährlichen Einkommen aufserordentlich Erfpriefsliches. Auch 
das Vereinswefen hat fich in Ungarn fchon fehr entwickelt. 
Die in der Collectivausftellung vorfindlichen mufikalifchen Lehrmittel waren 
zwar fehr wenig zahlreich, doch gewährten fie einen deutlichen Einblick in die 
beim Unterrichte acceptirte Methode und in den Umfang des Unterrichtes. Für 
die Bedürfniffe der allererften Jugend forgen mehrere Hefte „Kinderlieder“ etc. 
„zu Fröbel’s Entwicklungsfyftem“ von Kohänyi, die für den Unterricht nach 
dem Gehöre recht brauchbar angelegt find. Sie enthalten viele Nummern deutfchen 
Urfprunges, überdiefs auch einige original-ungarifche Weifen. Zwei Hefte davon 
find auch in einer deutfchen Ausgabe erfchienen. Die weiter vorfindlichen Unter- 
richtswerke, in summa 33, wurden laut Katalog theils vom Minifterium, theils von 
Verfaffern und Verlegern der Collection einverleibt. Unter ihnen nahmen die auf 
Veranlaffung des Minifteriums verfafsten Werke von Stefan Bartalus vor Allen 
anfere Aufmerkfamkeit in Anfpruch. Es find die mit den Nummern 410—413 und 
1118 —1120 im Katalog bezeichneten Werke in ungarifcher Sprache mit folgenden 
Titeln: „Gefangs-ABC für Volksfchulen 1ı., 2., 3. und 4. Jahrgang“, ferner damit 
correfpondirend: „Leitfaden für Volksfchul-Lehrer zum Unterrichte im Singen, 
I., 2., 3. und 4. Jahrgang“ und „Einleitung zum Clavier- und Orgelfpiel“. Der in 
diefen Gefang-Unterrichtswerken angewendeten Methode werden wir im Verlaufe 
diefes Berichtes noch an zwei Orten begegnen, nämlich in Amerika und (wie 
es fcheint im gemeinfamen Stammlande derfelben) in der Schweiz. Im letzt- 
genannten Lande foll fie zu Anfang diefes Jahrhunderts von Michael Pfeiffer, 
der eine Zeit lang an der Peftalozzi’fchen Anftalt den Gefangunterricht leitete, 
wahrfcheinlich über Anregung Peftalozzi’s, und nach ihm von Johann Georg 
Nägeli, „dem Vater des Volksgefanges“, beim Maffenunterrichte zuerft ange- 
wendet worden fein. Von dort verbreitete fie fich in andere Länder; in mehreren 
Theilen der Schweiz fteht fie noch gegenwärtig in Anwendung, wie diefs namentlich 
die in der Schweizer Abtheilung exponirten Werke von Johann Weber in Zürich dar- 
thun, weiche fich Bartalus anfcheinend zum Mufter genommen hat. Jene Methode 
entwickelt die Elementarkenntniffe der Mufik in aufserordentlich langfamem Stufen- 
gange, wie er der geringen Faffungskraft im frühen kindlichen Alter wohl ange- 
meffen fein mag, und zertheilt fie nach ihren Grundelementen, nach Tonhöhe, 
Rhythmus, Notation u.f. w. Die Notenlinie z. B., die bekanntlich aus einem 
Syftem von fünf über einander gefetzten Linien und den entfprechenden Zwifchen- 
räumen befteht, wird nach jener Methode im Anfange durch eine einzige Linie 
repräfentirt, der fich nur nach und nach und in langen Zeiträumen die übrigen 
Linien anfchliefsen (das zuerftgenannte Bartalus’fche Werk z. B. weift erft im 
4. Jahrgange die gewöhnliche Notenlinie auf). Ein näheres Eingehen auf die 
Methode und einen weiteren Vergleich zwifchen den angeführten Werken der 
ungarifchen und fchweizer Abtheilung müffen wir uns hier verfagen. 
Schien es auf dem Gebiete des Gefangunterrichtes angemeffen, eine 
tüchtige Lehrkraft mit der Bearbeitung eines bezüglichen Werkes in ungarifcher 
Sprache und mit Rückficht auf locale Verhältniffe und etwa nothwendige Verbef- 
ferungen, Erweiterungen und Abänderungen zu betrauen, fo war es nach der 
   
   
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
    
    
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
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