Full text: Musikalische Lehrmittel und das musikalische Erziehungs- und Bildungswesen (Heft 8)

   
14 Rudolf Weinwurm. 
Einführung in den dreiftimmigen Gefang für zwei Soprane und ein Alt. 
In Schulen mit mehr als fechs Claffen kann der Gefang für gemifchten 
Chor eintreten. Die Bäffe haben fich alsdann in fehr mäfsigem Tonumfange zu 
ergehen. 
Das Auswendigfingen ift vorzugsweife auf einftimmige Choräle und Lieder, 
weniger auf drei- und vierftimmige Tonfätze anzuwenden.“ 
Diefe Methode ift offenbar im Hinblicke auf ein ganz beftimmtes Werk — 
vielleicht das weiter unten angeführte, allerdings beachtenswerthe von Kotzolt — 
vorgefchrieben worden. Ob eine Entfcheidung in Fragen künftlerifchen Inhalts 
Sache des Gefetzes fei, möge dahingeftellt bleiben. Der Referent möchte behaup- 
ten, dafs es unter allen Umftänden gerathen fei, Spielraum zu laffen zur Auswahl 
unter mehreren guten Unterrichtswerken, welche die Regierungen durch geeig- 
nete Fachmänner in Evidenz zu bringen und zu halten hätten. Durch eine Vor- 
fchrift, wie die vorftehende, find alle anders gearteten Unterrichtswerke von der 
Benützung von vorneherein ausgefchloffen, mögen fie auch noch fo viele innere 
Vorzüge befitzen. Der immenfe Reichthum Deutfchlands an derartigen Werken ift 
bekannt; fie bildeten und bilden noch immer die Grundlage für ähnliche Leiftun- 
gen faft in der ganzen übrigen Welt; nicht minder bekannt ift, dafs etwa zwei 
Dritttheile derfelben in das Gebiet der Dutzendwaaren zu rechnen find, ohne 
künftlerifchen Beruf, ohne pädagogifchen Ernft abgefafst, Producte gewinnfüchti- 
ger Speculation oder leidiger Eitelkeit. Immerhin reftirt eine anfehnliche Anzahl 
von Werken, welche die angeführte Methode nicht befolgen und dennoch vortreff 
lich find. Sie enthält zwar manches Gute, z. B. die Beftimmungen über die Stärke- 
grade, in welchen gefungen werden foll, im Ganzen aber erfcheint fie dem Refe- 
renten als ungenau, unvollftändig und die Luft an der herrlichen Kunft eher 
hemmend als befördernd. Jeder Fachmann wird — um nur Einiges zur Begründung 
unferer Meinung anzuführen — z. B. wiffen, dafs bei einer grofsen Zahl der Sopran- 
Kinderftimmen die höheren Töne f, £ u.f. w. (die fogenannte Kopfftimme) oft 
ganz klar und deutlich anfprechen und mufikalifch verwendbar find, während die 
darunter liegenden oberen Töne des Bruftregifters A, & d noch gar nicht oder nur 
unvollkommen vernehmbar find. Eine künftlerifche Methode wird nun darauf aus- 
gehen, vorerft jene oberen Töne nicht brach liegen zu laffen und ferner die Stimme 
von jenen aus nach abwärts zu entwickeln, um die Verbindung mit dem Bruft- 
regifter nach und nach zu gewinnen. Vergleiche man nun hiemit die obenangeführ- 
ten Vorfchriften für die fünfte Claffe: „Der bisherige Tonumfang wird durch die 
Töne @und / erweitert; die Stimm- und Treffübungen erftrecken fich auf die Töne 
von © bis /.“ Man wird vielleicht einwenden, dafs es fich hier um die Stimm- 
entwicklung im Maffenunterricht handle, nicht um die Stimmbildung im eigentlichen 
künftlerifchen Sinn. Dem wäre zu entgegnen, dafs der Maffenunterricht nicht 
darauf ausgehen darf, das Stimmmaterial zu ruiniren, dafs aber in unferem Falle das 
Gefetz den Ruin der Stimme geradezu herbeiführen würde. Kann man es ferner 
gerechtfertigt finlen, dafs das Gefetz für die fechste und fünfte Claffe vorfchreibt: 
„Als Tonzeichen dient die Ziffer“? Die Ziffer ift bekanntlich ein Sinnbild des 
Zahlenbegriffes, nimmermehr ein Anfchauungsmittel des Tonbegriffes, für diefen 
bildet fie einen ungenügenden und nur ganz ausnahmsweife zuläffigen Noth- 
behelf, für ihn ift die Note und find die übrigen Zeichen der mufikalifchen 
Notation da, deren Aneignung man Kindern, welche die Mittelfchule befuchen 
— und für diefe ift ja jenes Gefetz beftimmt — wohl ohne Schwierigkeit zu- 
muthen darf. 
Indem wir von weiteren Bedenken hinfichtlich diefer Methode abfehen, 
wenden wir uns den Verfügungen hinfichtlich des Mufikunterrichts an preufsifchen 
Schullehrer-Seminarien zu. Diefe find in vielen Beziehungen muftergiltig. 
Zum Verftändnifs derfelben mufs hier vorausgefchickt werden, dafs fchon die Auf- 
nahme in ein preufsifches Seminar in der Regel auch an den Nachweis der Leiftun 
‚en in der Mufik gebunden ift, und zwar im Gefange, Clavierfpiele, Violinfpiele, 
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