Full text: Das gewerbliche Unterrichtswesen (Heft 49)

   
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
   
   
  
  
  
  
   
   
   
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
    
  
  
  
  
  
  
     
   
E>2 Armand Freiherr von Dumreicher. 
eine in fich abgefchloffene Bildung für den praktifchen Beruf zu geben, als auch 
für das Studium an einem Polytechnicum vorzubereiten — eine Verquickung 
zweier Ziele, welche manche Nachtheile mit fich bringen mag, aber auch nicht 
ohne gute Seiten in focialer Beziehung fein dürfte. 
Die verhältnifsmäfsig liebevollfte Pflege finden in Baiern die Kunftgewerbe. 
Die königlichen Kunftgewerbe-Schulen in München und Nürnberg nehmen einen 
fehr bedeutenden Rang unter den ähnlichen Anftalten Deutfchlands ein; ja die 
letztgenannte Schule hat innerhalb der deutfchen Reichsgrenze überhaupt kaum 
eine ebenbürtige Rivalin. 
An der Münchener Kunftgewerbe-Schule wird fowohl im Ornamentenzeich- 
nen nach plaftifchen Vorbildern als auch im Zeichnen, Coloriren und Entwerfen 
von Flachornamenten für die in der Textilinduftrie nothwendige Decoration, für 
Tapeten etc. Unterricht ertheilt; ferner im Modelliren in Thon und Wachs, im 
Schnitzen, Treiben, Cifeliren und Emailliren. Eine erhöhte allgemeine künft- 
lerifche Bildung der Gewerbetreibenden fucht die Schule durch Unterricht im 
architektonifchen Zeichnen wie durch Vorträge über Kunftgefchichte und Stillehre 
zu erzielen. 
Unter den Aufnahmsbedingungen findet fich neben der Forderung genü- 
gender Vorkenntniffe im elementaren Freihand- und Linearzeichnen auch der 
Nachweis über zurückgelegte Lehrjahre eines Kunftgewerbes vorgefchrieben. 
Ziele von bedeutendfter Höhe ftellt fich die unter v. Krelings Leitung 
blühende königliche Kunftgewerbe-Schule in Nürnberg. Der Zeichenunterricht 
an diefer Anftalt umfafst Ornamentzeichnen, Zeichnen nach dem lebenden Modelle, 
Ausführung von Cartons für Gemälde u. f. w. Gemalt wird nach plaftifchen Gegen- 
ftänden wie nach dem lebenden Modelle und die Ausführung eigener Compofi- 
tionen bildet den Höhepunkt der künftlerifchen Leiftungen diefer Gruppe. In der 
Abtheilung für Sculptur reicht der Unterricht gleichfalls bis zum Modelliren nach 
dem lebenden Modelle und nach eigener Compofition, und wird aufserdem die 
Technik der Holzfchnitzerei, des Gravirens und Cifelirens und des Erzgiefsens 
gelehrt. Die Architekturabtheilung endlich leitet ihre Schüler zu ftilgerechter 
Löfung kunftgewerblicher Aufgaben an und bewegt fich hiebei faft ausfchliefslich 
in den Formen der Renaiffance und Gothik. 
Wenn wir vonallen gleichartigen Lehranftalten Deutfchlands nur der Nürn 
berger eine eigenthümliche und ziemlich felbftftändige ftiliftifche Richtung zuer- 
kennen dürfen, fo mag fich folche Thatfache aus alten und glänzenden reichs- 
ftädtifchen Traditionen erklären, welche für die künftlerifchen Strebungen der 
Gegenwart einen unerfchöpflichen Boden abgeben. 
Ein rühriges gewerbliches und künftlerifches Leben der Umgebung kömmt 
der Nürnberger Schule mannigfach zu Statten, und aus dem Beftande der neu- 
angelegten Gallerie auf dem Rathhaufe, wie des germanifchen Mufeums, der 
Merkel’fchen Sammlung und vor Allem des vor wenigen Jahren gegründeten baieri 
fchen Gewerbemufeums erwächft dem kunftgewerblichen Unterrichte reichliche 
Anregung und Unterftützung. 
Württemberg. Gröfsere Aufmerkfamkeit als irgend welcher andere 
Staat wendet Württemberg feit einigen Decennien dem gewerblichen Unter- 
richtswefen zu. 
Die königliche Baugewerk-Schule in Stuttgart, eine reich dotirte, von etwa 
700 Schülern befuchte Anftalt, ertheilt im Winterhalbjahre einen nur die Bildung 
der Volksfchule und einige praktifche Verwendung in einem Baugewerbe voraus- 
fetzenden fyftematifchen Unterricht in den bau- und mafchinen-technifchen Fächern. 
Die Lehrgegenftände der einzelnen Fachabtheilungen find in der Regel auf fünf 
halbjährige Curfe vertheilt. Aufser den Mafchinenbauern und Bau-Handwerkern 
fteht die Schule auch den Arbeitern anderer mehr oder minder verwandter 
Gewerbe offen: als Schieferdeckern, Schloffern, Glafern, Schreinern und Drechs- 
lern, Stuccateuren, Graveuren, Gold- und Silberarbeitern u. f. w. Der von der 
    
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