Full text: Das gewerbliche Unterrichtswesen (Heft 49)

  
   
  
   
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
  
  
  
   
   
   
  
  
  
  
  
   
    
    
   
   
     
  
  
  
  
   
    
  
  
   
  
  
  
  
  
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Armand Freiherrvon Dumreicher. 
   
wirthfchaftliche Kraft wird heute von den gewaltigen Veränderungen im gewerb 
lichen Betriebe, welche den FHankwerker-Stand ftets mehr zerfetzen und die Grofs- 
induftrie zur Alleinherrfchaft führen, 
in mehr denn einer Beziehung bedroht 
Unter den Schutzmitteln aber, welche gegen diefe Gefahren aufgeboten werden 
müffen, nimmt, neben der Gründung von Vorfchufsvereinen, Rohftoff-Genoffen 
fchaften, Magazinvereinen, Produdtivaffociationen, die Organifation eines tüchtigen 
gewerblichen Unterrichtes eine erfte Stelle ein. 
Aber nicht nur dem Kleingewerbeftand der Städte mufs in folcher Weife 
zu Hilfe gekommen werden; auch auf dem Lande erwächft dem gewerblichen 
Unterrichte die Aufgabe, Gefahren zu begegnen und Schädigungen wenigftens zu 
mildern, welche ein feit Kurzem in der Landwirthfchaft Europas beginnender 
Procefs von unabfehbarer Tragweite in fich birgt. 
Die neueften Fortfchritte des 
modernen Communicationswefens im Often des Welttheiles führen ausgedehnte, 
fruchtbare Agriculturgebiete in den grofsen Weltverkehr ein;, ein fich rafch ent- 
wickelndes Syftem von Schienenfträngen fteigert das ökonomifche Ausftrömungs- 
vermögen der Donau- und Weichfelländer nach dem Weften und ermöglicht dem 
fernften Bewohner der weiten öftlichen Tiefebenen den Abfatz feines Ueberfluffes 
an landwirthfchaftlichen Erzeugniffen. 
Wenn bisher in Folge deffen acute Erfcheinungen noch nicht aufgetreten 
find, fo dankt diefs die wefteuropäifche Bodencultur einzig dem Umftande, dafs 
die gegenwärtige tiefgreifende Umwälzung iu feinen Agrarverhältniffen Rufsland 
einftweilen an der vollen Ausbeutung feiner fo fchnell und eifrig vermehrten Aus 
fuhrmittel hindert. 
Jedenfalls aber bedrohen die neuern Aenderungen in den europäifchen 
Verkehrs- und Produdtionsbedingungen den Bauernftand in den weftlichen Län 
dern mit fchweren Erfchütterungen, insbefond@re-den Bauernftand in den 
öfterreichifchen Gebirgsländern, minder die — meift flavifchen — Bevölkerun- 
gen in den gefegneten Niederungen Böhmens, Mährens und Unter-Steiermarks. 
In dem letzten Decennium hat fich die Bevölkerung der öfterreichifchen 
Alpenländer um 3':62, der Sudetenländer um 8:40, der Karftländer um 10:60, der 
Karpathenländer um 18:13 Percent vermehrt. Das find Zahlen, 
Nachdenken anregen. 
Ein Wechfel im landwirthfchaftlichen 
gedehntere Entwicklung der Hausinduftrie in unfer 
die zu ernfteftem 
eine aus- 
en Alpengebieten fcheinen die 
einzigen Mittel zur Ueberwindung der unvermeidlichen Krife, und hiemit erwach 
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B 
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Thei 
fen einem neuorganifirten gewerblichen Fachunterrichte Aufgaben von tieffter 
edeutung für die Lebensintereffen des Volkes und des Staates. 
l der deutfch-öfterreichifchen Gebirgsbewohner, daer im Bau von Cerealien 
Während ein 
nicht mehr zu concurriren vermag mit der Production der ungarifchen Hinter 
länder, 
fich ausfchliefslich der- Viehzucht wird zuwenden müffen, wird ein anderer 
Theil nur durch Vervollkommnung und Wiederbelebung alter, an manchen Orten 
[chon dem Ausfterben naher, fowie durch Einführung neuer, den localen Verhält- 
niffen angemeffener Hausinduftrien fich vor Verarmung und Untergang retten 
können. Diefem letztern Proceffe aber kann und mufs durch Gründung von Fach- 
fchulen und Lehr-Werkftätten, durch Vermehrung der Kenntniffe und Hebung des 
Gefchmackes werkthätig nachgeholfen werden. 
So fordert in Oefterreich die wirthfchaftliche, gefellfchaftliche 
und Lage eine allfeitige Ausbildung des 
chläffigten 
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gewerblichen Unterrichtswefens. Sie fordert diefs dringend, denn die Kraft des 
o°- o- 
ftaatlich wichtigften Elementes in Oefterreich fchmilzt an der Bafıs. 
Bedenklich 
grofs erfcheint fchon jetzt die Menge der Kleinbürger, die aus dem dritten in den 
vierten Stande hinabgeftiegen find, und die Zahl der Gebirgsbauern, die ein ver- 
) % s a ’ x i RE EAE 
alteter Betrieb und eine neue Concurrenz in Gant und um Haus und Hof gebracht 
haben. So zeigen fich denn, wä 
ırend in den Fabrikftädten die Arbeiterbevölke- 
rung riefig anwächft, auch bereits die erften Anfänge eines ländlichen Proletariats 
  
	        
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