Full text: Der Blinden- und Taubstummen-Unterricht (Heft 26)

  
  
  
  
  
     
  
   
    
  
  
  
  
   
   
   
  
  
  
  
   
   
  
  
  
  
  
  
  
  
   
   
   
   
  
   
   
   
    
  
  
   
  
  
   
  
  
    
   
    
   
  
   
   
   
  
  
   
   
   
  
  
   
   
  
   
   
  
  
   
Eduard Kaltner. 
v 
Das Hauptgewicht liegt hier in der Blindenverforgung, welche in Sachfen 
vortrefflich durchgeführt wird, was jedoch in der Weife nur in kleineren Ländern 
möglich ift, befonders da die Sachfen im Allgemeinen ein gutmüthiges 
Volk find. 
Mit fünf Jahren werden die blinden Kinder zu Hubertsburg in die Blinden- 
vorfchule aufgenommen , wo fie bis zum zehnten Jahre bleiben. Von hier aus 
treten fie wohl vorbereitet in das Hauptinftitut in Dresden ein. 
Wiffenfchaftliche und technifche Bildung gehen hier neben einander. Von 
Arbeiten wird hier nur Seilerei und Flechterei betrieben; von Mufik: Gefang, 
Clavier- und Orgelfpiel. Schon während des Aufenthaltes im Inftitute wird jedem 
ein Theil gutgefchrieben, den er fpäter ausbezahlt 
Blinden von feinem Verdienfte 
. 
mit ins Leben nimmt; dadurch entfteht Anfpornung zum Fleifse und zur Thätig- 
keit. It die Ausbildung vollendet, dann mufs jeder Blinde hinaus ins Leben. Der 
Austritt aus dem liebgewonnenen Haufe führt zu rührenden Szenen, und doch 
Als ich einft einen bitterlich weinenden Zögling fragte: Willft 
fagt Reinhardt: 
Ne, ne, ins Vogelhaus will ich mich nicht 
du da bleiben? antwortete er fchnell : 
fperren laffen! 
Die Zöglinge werden 
Siebilden mit dem Inftitute 
herannaht, dann ziehe ich 
ich wende mich, führt Re in 
aber nicht ohne Weiteres hinausgefetzt in die Welt. 
eine grofse Familie. „Wenn die Zeit zum Austritte 
auf meinen Infpectionsreifen Erkundigungen ein; 
hardt fort, an die Angehörigen, an den Pfarrer, 
Bürgermeifter u.f. w., und erft, wenn ich kein Bedenken habe, werden die aus- 
tretenden Zöglinge ihren Angehörigen übergeben. Sonft aber wird für fie eine 
paffende Stelle ausgemittelt, Mädchen werden als Arbeiterinen bei verläfslichen 
Leuten untergebracht, die männlichen Blinden werden in einer Werkftätte bei 
Sehenden oder Blinden verforgt, oder es wird ihnen felbft, wenn fie dazu tauglich 
find, eine folche eingerichtet.“ 
Bei dem Austritte erhält jeder Blinde vollfändige Kleidung, Wäfche, 
Werkzeuge und fein erfpartes Geld, die Mädchen ein vollftändiges Bett, nöthigen- 
falls wird ihnen der Zins gezahlt. Aus den Magazinen des Inftitutes erhalten fie 
das nöthige Arbeitsmaterial auf Rechnung, und wenn fie die fertige Waare nicht 
felbft verkaufen, fo wird fie vom Inftitute übernommen. 
„lat es ein Blinder einmal dahin oebracht, dafs er fich einige Hundert 
Thaler erfpart hat; fo denkt er auch daran, fich ein Häuschen zu erwerben, da 
d firecke das fehlende aus dem Inftitutsvermögen, das nur 
durch milde Beiträge entftanden ift, ohne Zinfen gegen Vormerkung vor.“ 
Von Zeit zu Zeit werden von dem Diredtor alle Blinden des Landes 
r bekannte Mann aus Dresden kommt, da geht das Herz 
auf, die Freude zieht in die Hütte des Blinden ein, ein Verhältnifs des Vaters 
zu feinen Kindern. Da wird Alles mitgetheilt, Gutes und Schlimmes, wo es noth 
thut, wird geholfen, der Zins gezahlt, die Wäfche oder Kleider gekauft, Apotheke 
oder Arzt bezahlt u. f. w. 
„Das fordert viel Geld, meine Regierung würde mir die Hilfe nicht verfagen, 
aber ich habe fie nicht nöthig, meine Mitbürger und die Behörden, Katholiken, 
Proteftanten und Juden verfehen, mich reichlich; denn fie erkennen das fegens- 
volle Wirken diefer Einrichtung.“ 
Diredtor Reinhart ttellt folgende Thefen zur Annahme auf: 
{ In den Blindenanftalten find nur jene Arbeiten zu lehren, welche der 
Blinde ohne Beihilfe Vollfinniger felbftfländig herzuftellen vermag und für die 
er im bürgerlichen Leben genügenden Abfatz findet, 
2. jeder Anftaltszögling ift technifch auszubilden. 
bin ich wieder da, un 
befucht, und wenn de 
3. Neue Verforgungshäufer für Blinde find nicht zu gründen, die alten 
fobald als thunlich aufzuheben. 
4. Der Blinde ift bei uns nach < 
e ler Entlaffung aus dem Inftitute moralifch 
und materiell zu unterftützen, wenn er deffen 
bedarf und würdig ift.
	        
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