4 Dr. Erasmus Schwab.
Urtheil vieler Befucher des fchwedifchen Schulhaufes wurde unftreitig dadurch
irre geführt, dafs die Ausftellung nicht die Scheidung deffen darbot, was Stadt-,
was Landfchule ift, was niedere und was höhere Schule.
Blickt man nochmals auf das Schulhaus als bauliches Objedt zurück, fo
mufs zunächft bemerkt werden, dafs diefes Objedt nach einem jener Pläne
gearbeitet war, welche die Regierung in weifer Fürforge für Schulbauten und
Schulhygiene veröffentlichen läfst. Doch bautSchweden, trotz feines Reichthumes
an dem fchönften Holze, feine Schulen gern aus Granit, da es ja den prächtigften
Stein in koloffaler Fülle befitzt. Zu einem wirklichen Schulzimmer fehlten der
grofsen Halle im Schulhaufe Vorkehrungen zur Regulirung des Lichtes, fehlte die
Ventilation und jede Andeutung über die Art der Beheizung. Alle diefe Dinge
fchienen vielleicht nicht nöthig, da ja fchon das Zimmer in Wirklichkeit kein
Schulzimmer fein könnte, weil es fich nicht heizen liefse (das Dach war die Decke
des Schulzimmers). (Als ein intereffantes Desinfectionsmittel ftanden im Schul-
zimmer einige Blechbüchfen, gefüllt mit Birkentheer, welche den würzigften Duft
aushauchten.) Wie in Schweden die Abortfrage gelöft wird, war gleichfalls
nicht angedeutet.
Noch müffen aus dem fchwedifchen Schulhaufe zwei Specialitäten hervor-
gehoben werden — die weiblichen Handarbeiten und die Arbeiten der nicht
vollfinnigem Jugend.
Die Wahl, der Stufengang, die Behandlung der weiblichen Arbeiten,
welche oft in einfamen Dörfern und Gehöften von Wanderlehrerinen gelehrt
werden, verdienen alles Lob und wurden, was eigentliche Kunftarbeiten betrifft,
nur von den Arbeiten der dänifchen Schulmädchen übertroffen. Schon aus diefer
einen Probe liefs fich entnehmen, welche liebevo!le und verftändige Sorgfalt in
Schweden auf die Bildung des weiblichen Gefchlechtes verwendet wird, dem die
Wege zur höchften Ausbildung und zu ehrenhafter Selbftftändigkeit geebnet
find.* Es ift hier nicht der Ort, diefe Bildungsanftalten zu befprechen; aber
mit Achtung mufs anerkannt werden, dafs fich Schweden eine glückliche Zukunft
einzig fchon durch die gewiffenhafte Erziehung feiner Mädchen, der künftigen
Mütter des fchwedifchen Volkes, fichert. Die Arbeiten der nicht vollfinnigen
Kinder find fo correct und gefchmackvoll ausgeführt, dafs Schul-Werkftätten (in
Verbindung mit der Volksfchule gedacht) an ihnen die beften Vorlagen für ver-
ichiedene Arten der für Schulkinder paffenden Thätigkeiten fänden.
Beide genannte Specialitäten erfüllten den Bodenraum des Schulhaufes,
welchen man fich — im Sommer — als Wohnung des Lehrers denken mag; der
dem Schulzimmer benachbarte Theil des Haufes umfchlofs die Ausftellung folcher
Lehranftalten, welche den Kreis der Volksfchule überragen, und kann fomit in
diefen Studien keinen Platz finden.
Was fich als bleibendes Ergebnifs wiederholter Befichtigung des fchwedi-
[chen Schulhaufes ergibt, ift, dafs Schweden allerdings von vornherein die Abficht
fefthielt, mit feiner Unterrichtsausftellung zu glänzen, und es berührt ganz eigen-
thümlich, dafs Schweden die Schwäche hatte, alle möglichen Dinge fich prämiiren
zu laffen. Bei all’ dem aber ift, obfchon Schweden noch nicht den Höhepunkt in
feinem Volksfchulwefen erreicht hat, anzuerkennen, dafs fchon jetzt das von
Schweden Erreichte mit Achtung und Sympathie begrüfst werden mufs und die
Gewähr einer glücklichen Zukunft in fich fchliefst. Das Unterrichtsbudget für
Volksfchulen von 3,777.000 Reichsthalern (ein Thaler ift ungefähr gleich 60 Kreuzer
öfterr. Währ. oder 12 Grofchen) bei einer Bevölkerung von nur 4,200.000 Köpfen
verdient alle Anerkennung. Der Staat, der auch bei der Einrichtung armen
Gemeinden beifpringt, ift dabei mit 1,800.000 Thalern betheiligt.
* Im Jahre 1871 hatte Schweden bereits 2800 Lehrerinen an feinen Volksfchulen,
allerdings meift an den Kleinfchulen. Diefs ift, nebenbei bemerkt, ein Fingerzeig für andere
Staaten als auf eines der Mittel nämlich, wie man dem wachfenden Mangel an Lehrern abhilft.
fü.
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