Full text: Anlage, Einrichtung und Lehrmittel der Volks- und Mittelschule (Heft 72)

    
  
    
   
   
   
  
  
  
   
  
   
  
   
   
  
  
   
  
   
  
   
   
  
  
  
  
   
  
    
  
   
  
  
  
  
  
    
  
  
   
    
  
   
   
    
  
   
  
  
   
   
  
  
  
  
    
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Studienplan vom Jahre 1819. Derfelbe hob das Fachlehrer-Syftem ganz auf und 
fetzte für den vereinigten Unterricht in Geographie und Gefchichte die Anzahl 
der wöchentlichen Lehrftunden in allen fechs Claffen des Gymnafiums zufammen 
auf dreizehn herab. Officiell verfafste und eingeführte Schulbücher fetzten genau 
die Ländergruppen feft, welche in jeder Claffe behandelt werden mufsten. In der 
erften Claffe wurde ein dürres Skelet der „mathematifch-aftronomifchen Geogra- 
phie“ vorgeführtund daran eine möglichft allgemeine Ueberfichtüber die Oceane, die 
Erdtheile, deren Gebirgsfyfteme und Gewäffer geknüpft. So mager diefer Theil auch 
war, fo hatte er doch wenigftens einen Anflug von rationeller Methode, was in 
den folgenden Claffen nicht mehr der Fall war. Für diefe wurde die fefte Ober- 
fläche des Planeten nicht etwa nach phyfikalifchen, fondern nur nach den zu- 
fälligen politifchen Verhältniffen in eine Anzahl regellofer Gruppen von Ländern, 
beziehungsweife Staaten zerriffen und jedem Jahrgange eine oder mehrere der- 
felben zur „Bearbeitung“ zugewiefen. Diefe „Bearbeitung“ befchränkte fich 
gröfstentheils auf die Anführung von politifch-topographifch-ftatiftifchen Mate- 
rialien und Daten, mitunter in wahrhaft erfchreckender Maffenhaftigkeit und 
Regellofigkeit. Die beigefügte peremtorifche Vorfchrift, der Lehrer habe fich 
ftrenge an das officielle Schulbuch zu halten, ift ohne Zweifel für die meiften 
Fälle überflüffig gewefen; gab es doch damals für den angehenden Gymnafıal- 
lehrer in Oefterreich noch keine Gelegenheit, wo er einen fpeciellen wiffenfchaft- 
lichen Unterricht in der Geographie hätte geniefsen, wo er fich durch fyftemati- 
fche Studien für feinen Beruf hätte vorbereiten und dadurch feinen geiftigen 
Gefichtskreis über das geographifche Lehrbuch hinaus hätte erweitern können. 
Daher ift es mehr als blos glaubhaft, was von fo vielen öfterreichifchen Gymnafien 
diefer Periode berichtet wird, dafs nämlich die Schülerzu einem rein mechanifchen 
Auswendiglernen von Namen, Zahlen und maffenhaften Daten fogenannter Merk- 
würdigkeiten einzelner Orte angehalten worden find, wobei oft genug Dinge 
angeführt waren, welche nicht einmal vom engften localen Standpunkte aus 
betrachtet irgend eine ernftliche Bedeutung oder Wichtigkeit befeffen haben. Es 
ift leicht begreiflich, dafs von diefem, auf folche Weife aufgehäuften Gedächtnifs- 
kram nach der halbjährigen Prüfung, für welche er in Bereitfchaft gehalten wer- 
den mufste, im Geifte der Jünglinge kaum andere Spuren auf die Dauer übrig 
geblieben find, als eine unüberwindliche Abneigung gegen ein Lehrfach, welches, 
naturgemäfs und rationell behandelt, wie kaum ein zweites geeignet ift, den Geift 
anzuregen und das Intereffe dauernd lebendig zu erhalten. 
Auch während diefes Zeitraumes hat es nicht an Männern gefehlt, welche 
die Mängel des Unterrichtswefens in Oefterreich erkannt, und das Bedürfnifs, 
denfelben abzuhelfen, gefühlt hatten. Aber die wiederholten Vorfchläge zu Ver- 
befferungen fanden keine Beachtung. Erft die politifche Neugeftaltung des 
Reiches brachte das Werk in Flufs und der „Entwurf zur Organifation 
der Gymnafien und Realfchulen in Oefterreich“, welchen das k.k. 
Minifterium für Cultus und Unterricht am ı6. September 1849 erlaffen hat, 
bezeichnet einen entfcheidenden Wendepunkt, wenn auch nicht fpeciell und 
dire für den geographifchen Unterricht, fo doch für das Schulwefen im Allge- 
meinen; und von dem neuen, wiffenfchaftlichen Geifte, der, bis dahin daraus ver- 
bannt, hiemit feinen Einzug in die öflerreichifchen Lehranftalten feiern durfte, 
war es mit Zuverficht zu erwarten, dafs er früher oder fpäter auch auf das geogra 
phifche Fach feine befruchtende und belebende Kraft ausüben werde. 
Für den geographifchen Unterricht zeigt der „Entwurf“ bei weitem nicht 
jene Auffaffung, welche dem damaligen Stande der Wiffenfchaft entfprochen hätte. 
Während mehr als ein halbes Jahrhundert früher im Entwurfe des P. Lang für die 
Geographie eine vollkommen felbftffändige Behandlung und die phyfikalifche 
Seite als Grundlage gefordert worden ift, verlangt diefer neue Organifationsplan, 
dafs die Geographie nur eine Begleiterin und Dienerin der Gefchichte fei. 
Geographie fei nur in Beziehung zur Gefchichte zu behandeln; „denn für den
	        
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