Full text: Anlage, Einrichtung und Lehrmittel der Volks- und Mittelschule (Heft 72)

     
   
  
  
  
    
   
     
  
  
  
  
   
  
  
   
   
   
   
  
  
  
   
  
  
   
   
  
    
   
   
   
    
  
  
  
  
  
    
  
  
   
   
   
   
  
  
    
  
  
   
  
  
  
   
   
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dürfen. Was aber heute noch facultativ ift, das wird mit der Zeit hoffentlich 
nicht blos für die Realfchule, fondern auch für das Gymnafium obligatorifch 
werden, wenn es nichtfchliefslich gar dahin kommen follte, dafsfür die Geographie 
vollends eine eigene Gruppirung angeordnet wird. 
Der fpecielle Lehrplan für die Realfchule ift demjenigen für das Gymna- 
fium ähnlich, nur foll hier auch auf die gewerblichen und commer- 
ciellenVerhältniffe und Beziehungen derStaaten befonders Rückficht genommen 
werden. In der Phyfik wird als Lehrziel angegeben: für die unteren 
Claffen eine „durch das Experiment vermittelte Kenntnifs der leichtfafslichften 
Naturerfcheinungen und ihrer Gefetze“, für die oberen Claffen: 
„Verftändnifs der bedeutendften Naturerfcheinungen und Naturgefetze, 
durch den elementar-mathematifchen Beweis gefichert; ferner Anwendung 
dieferLehrenaufdasGefammtbild derErde,alseines aus Natur- 
körpern zufammengefetzten, einheitlichen, gefetzmäfsig ent- 
wickelten Ganzen“. Aus der Naturgefchichte, die, wie die Phyfik, abgefehen 
von ihrer fonftigen Selbftftändigkeit, als eine unerläfsliche Hilfswiffenfchaft für 
die Erdbefchreibung und Erdkunde angefehen werden mufs, weist der Lehrplan 
für die VII. Claffe u. A. Geognofie und Grundzüge der Geologie auf, 
verlangt ferner das Wichtigfte aus der Klimatologie, der Phyto- und 
Zoogeographie, oder geographifche Verbreitung der Pflanzen und Thiere. 
Zur Heranbildung von Lehrkräften waren früher die „Präparandien“ 
beftimmt, wo die Schüler in verhältnifsmäfsig kurzer Zeit, fogar in fechs, ja drei 
Monaten, fich alle Kenntniffe aus den verfchiedenen Gegenftänden aneignen follten, 
in welchen fie fpäter felbft zu unterrichten hatten. Bei der äufserft dürftigen Vor- 
bildung, welche die Zöglinge in diefe Lehrerfchule mitzubringen pflegten, ift es 
begreiflich, dafs damit felbft den befcheidenften Anfprüchen kaum genügt werden 
konnte. BeiLehrern, welche ihre didaktifche und pädagogifche Bildung an folchen 
Präparandien genoffen haben und noch jetzt im Lehramte thätig find, darf es 
nicht Wunder nehmen, wenn ihnen die Geographie, wenigftens in ihrer neueren 
Geftalt, vollftändig fremd ift. Da kann leicht möglich fein, was erft neulich vor- 
gekommen, dafs ein Lehrer, als ihm von Seite der Schulbehörde eine fogenannte 
„ftumme“ Karte von Sydow zum Gebrauche für den Unterricht überreicht wurde, 
die claffifche Erklärung abgab: „Solche Karten kann man ja nicht brauchen, es 
fteht ja gar nichts d’rauf!!* 
Die neu errichteten Bildungsanftalten für Lehrer und Lehre: 
rinen umfaffen vier Jahrgänge. Der Lehrplan, in der Verordnung des Minifteriums 
für Cultus und Unterricht vom 19. Juli 1870 definitiv feftgefetzt, beftimmt den 
Unterrichtsgang in derGeographie, wie folgt: 
Ziel: Verftändnifs der Karte und des. Globus, Kenntnifs der Erdoberfläche 
in phyfikalifcher und politifcher Hinficht nach den wichtigften Momenten, ins- 
befondere Europas und fpeciell Mitteleuropas; einige Uebung im Kartenzeichnen. 
I. Claffe, wöchentlich 2 Stunden. Das Wefentlichfte aus der mathematifchen 
und phyfifchen Geographie mit vorwiegender Rückficht auf die nächite Umgebung. 
Heimatkunde. Ueberfichtliche Kenntnifs der Erdoberfläche. Land und Waffer. 
II. Claffe, 2 Stunden. Elemente der Völker- und Staatenkunde. Die 
europäifchen Länder. 
II. Claffe, 2 Stunden. Die aufsereuropäifchen Länder. 
IV. Claffe, 2 Stunden. Wiederholung des gefammten Lehrftoffes. Methodik 
des geographifchen Unterrichtes in der Volksfchule, insbefondere Anleitung, wie 
der Lehrer Heimatkuude zu behandeln hat. 
Aufserdem enthält diefelbe Verordnung unter dem Artikel „Naturgefchichte*“ 
die für Geographie wichtige Beftimmung: „Den Schlufs des naturgefchichtlichen 
Unterrichtes foll die phyfikalifche Geographie bilden, wobei dasin 
den verfchiedenen Zweigen des naturwiffenfchaftlichen Wif- 
fens Gelehrte zulammengefafst und die gegenleitige -Bezie- 
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