Full text: Der Welthandel (Heft 28)

  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
12 Dr. Carl Thomas Richter. 
genauer betrachten, das Bild der Handelsgeographie Europas in Kurzen 
zufammen. 
  
Im Norden Europas, dem heutigen Rufsland, find die Seen und fchiffbaren 
Ströme die Grundlage einer fich rafch entwickelnden Flufs-Schifffahrt. Die W olga 
von ihrer Mündung ins cafpifche Meer bis hinauf in ihr Quellengebiet, 4500 Wer ei 
it fchiffbar für die Waarenladungen, welche aus den oberen Theilen des Indus 
und Oxus von den Hand elsftädten des mittleren Afıiens in das Innere des rufffchen 
Reiches dringen. Ein Weg, der heute noch für den Backftein-Thee Chinas behaup- 
tet wird. Von der Wolga gelangte man durch die Kama zum Eismeer, oder auf der 
Dwina in das weifse Meer. Den Dnieper hinauf führte die zweite Strafse zur 
Wolchow, die Newa und den finnifchen Meerbufen nach Schweden, in deffen 
Umgebung die Handelsplätze der Normanen, Dänen und flavifchen Stämme, 
weit berühmt, gelegen. Auf diefem Wege drangen die Völker längft vergangener 
Jahrhunderte zu den Bernftein Geftaden vorund hatte das Mittelalter den Weg für 
den pontifch-baltifchen Zwifchenhandel. Auch die Araber kamen indas Gebiet der 
Wolga, des Dnieper und feiner nordweftlichen Hinterlande und arabifche Münzen 
liefen hier um für Bernftein, Honig, Wachs und das dem Südländer fo begehrungswür- 
dige nordifche Pelzwerk. Im Wef ER regte fich dasLeben an der atlantifchen Küfte, 
am Rhein und an der Mofel, und Leder, Waffen und Tücher kamen hier zum 
Taufch und zum Kauf in Umlauf. Der Knotenpunkt diefes Verkehres lag in der 
Gegend des heutigen Utrecht und in Tiel an der Warl und begründete die frühe 
wirthfchaftliche Blüthe in den Niederungen des deutfchen fagenreichen Heimats- 
ee aus der allmälig die mercantile Macht der Hanfa hervorgeht. Englifche 
Volle, Blei, Zinn, Getreide und Sklaven taufchen fich aus gegen die herauf drin- 
genden indifchen Waaren oder norddeutfchen Fabricate. Dazu kamen noch die 
Erzeugniffe wie die Heimat felbft fie gegeben, gedörrte und gefalzene Fifche, 
Wein, Butter, Hamburger Bier. Der freie Bürgerftand gedeiht in diefem Handel 
und Wandel und nichts kann ihn zerftören, wie oft man feine Städte auch nieder- 
brennt und feine Thätigkeit zu durchbrechen fucht. 
Auch im Süden prägt fich immer kräftiger ein handelspolitifches Bild aus, 
als die füdlichen Handelsftädte Barcelona, Genua und Venedig in voller Jugend- 
k raft erblühen und in der Verkehrsbewegung der Welt hervortreten. Vor allen 
eigt Venedig empor, die Erbin Aquilejas und wird in Mitte der Kreuzzüge der 
Mitte an des Verkehres Europas mit Alien und Afrika. Vor ihm hat Amalfi einen 
[heil des arabifchen Welthandels, begünftigt durch feine Lage nahe dem gewerb- 
reichen Sicilien, verbunden mit Conf ftantinopel einerfeits und Egypten anderfeits, 
zu fich abgeführt und den Handel durch Pifa und Genua nach dem Norden 
geleitet und fuhr mit feiner fchwarzweifsen Flagge, den Compafs mit den acht 
Hauptftrahlen der Windrofe darin, über die füdlichen Meere. Nur die Gefchichte 
der Handelsrechte hat uns die volle Erinnerung diefer Gröfse erhalten. Seine 
Handelsmacht felbft ging vor dem kriegerifchen Pifa, der fteigenden Macht Vene- 
digs und Genuas unter, die alle durch die Kreuzzüge geftärkt wurden und den Völker- 
und Handelszug nach dem mittelländifchen Meere hin allmälig leiteten. Zwifchen 
den fo gekennzeichneten Handelspunkten des Südens und Nordens bewegt fich 
durch die Mitte noch immer der Donauhandel hinab nach Conftantinopel. Drei 
grofse mächtige Wege, welche über die füdlichen Stufen nach dem Orient, zumeift 
und immer kräftiger durch Venedig, über die Landenge von Suez, dort wo Phöni- 
eier, Juden und Arab er zogen, die "Zahlungsmittel Europas, die edlen Metalle, in 
einem fleifsigen Bergbau in nn Europa gefördert, nach Indien ableiten. 
Wie follte diefes grofse ‚eben, das: fich entwickelnd und ser ft Entwicklung 
bringend, nicht Europa neu en „Vita Germanorum omnis in venationibus 
cumsumitur“ ift längft eine hiftorifche Redensart geworden und die Götter find 
vergeffen, die nach der Edda die Aecker vertheilten. Der Krieg war der Schöpfer 
ler Reiche geworden, der Handel füllte fie mit &beitenden Händen an. Im 
Norden Italiens erblühen die Städte und die ftädtifchen Gewerbe. In Deutfchland 
    
           
  
  
     
   
  
   
  
     
   
  
    
     
    
      
      
     
  
     
         
   
   
   
    
    
   
    
     
   
  
  
   
      
  
   
     
  
   
   
   
  
  
   
   
  
  
    
   
    
   
   
   
  
    
   
   
    
	        
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