Full text: Baumwolle und Baumwoll-Waaren (Heft 13)

   
  
  
Dr. Alexander Peez. 
aber wegen der Mufter, die theils beftehenden Nationaltrachten entfprechen, theils 
den Strömungen der Mode folgen müffen oder auf felbftftändigen Wegen die Ver- 
edlung der Mode zu einer ftilgerechten Kunftinduftrie verfuchen. Indem in folcher 
Weife der Baumwoll-Druck gleichfam als die Krone und Spitze einer faft alle 
Seiten der Gefammtindustrie umfaffenden Pyramide erfcheint, tritt die Wichtigkeit 
diefes Induftriezweiges in die richtige Beleuchtung. 
Die bedeutfamfte, feit 1867 auf dem Gebiete der Baumwoll-Induftrie ein- 
getretene Neuerung betrifft die Baumwoll-Druckerei; es ift dies der Erfatz der für 
die Rothfärberei und Rothdruckerei fonft fo wichtigen Krappfarben durch das 
Alizarin. Seitdem es im Jahre 1868 den deutfchen Chemikern Gräbe und Lie- 
bermann gelang, den unter dem Namen „Alizarin“ bekannten Farbftoff der 
Krappwurzeln aus dem Anthracen, einem der im Steinkohlen-Theer vorkommenden 
Kohlen-Wafferftoffe, zu erzeugen, nahm die Produdtion des fogenannten künftlichen 
Alizarin einen rapiden Auffchwung, und es find feit1870, wo die Einführung bereits 
als gefichert angefehen ward, allein im deutfchen Reiche Io bisı2 meift fehr bedeu- 
tende Alizarinfabriken entftanden (wovon 4 in Elberfeld, zur Verforgung der 
dortigen Rothgarn Färbereien). Die Folge wird fein, dafs, da das Alizarin fämmt- 
liche Krapp-Präparate zu erfetzen vermag, der Anbau des Krapps an Werth 
abnimmt, der Farbftoff felbft aber auf dem neuen Wege zum Vortheile der 
Gefammtinduftrie beffer und billiger hergeftellt wird, als vorher. Die auf der 
Wiener Weltausftellung von 1873 vorgeführten Rothgarne und Rougewaaren waren 
zum gröfseren Theile fchon mit künftlichem Alizarin gefärbt. Nur die rufffchen 
(Moskauer) Färbereien, die in dem berühmten Wolgakrapp (Marena), deffen 
Wurzeln fieben Jahre lang in der Erde bleiben, das vorzüglichfte Farbmaterial 
befitzen, hatten noch durchweg am alten Material feftgehalten. 
Die Baumwoll-Druckinduftrie, welche in gewiffem Sinn als eine locale 
Färberei aufzufaffen ift, arbeitet für zwei ganz verfchiedene Bevölkerungsclaffen, 
nämlich einerfeits für die Nationaltrachten des europäifchen Landvolkes und des 
Orients (welcher den Unterfchied zwifchen ftädtifcher und ländlicher Tracht nicht 
kennt), und anderfeits für den Modebedarf der fogenannten gebildeten Welt, fei 
es an Kleidung, fei es an Vorhäng- und Möbelftoffen. Beide Productionsrichtun- 
gen verlangen eine gefonderte Betrachtung. 
I. Die für Nationaltrachten arbeitenden Druckfabriken haben meift 
unabänderliche oder nur langfam fich ändernde Mufter auszuführen. Der Kunft- 
gefchmack hat hier keinen Spielraum; folide Ausführung und befonders Echtheit 
und Dauerhaftigkeit der Farben ift Alles; und da beftimmte Nationaltrachten 
doch nur in einem begränzten Gebiete herrfchen, fo ift die Herftellung der Stoffe 
in der Regel für die ausländifche Maffeninduftrie nicht lohnend genug, fondern 
bildet, mindeftens in Europa, die Domäne der einheimifchen Druckfabriken. 
Eine befondere Stellung unter den bedruckten und gefärbten Artikeln 
diefer Art nehmen die bereits früher erwähnten Rothgarne und Rougewaaren ein, 
welche in Europa wie in den Colonien und befonders in dem Orient wegen ihrer 
Farbe und der Dauerhaftigkeit derfelben eine erfte Rolle fpielen und daher im 
Exporte von grofser Bedeutung find. 
Während auf der Weltausftellung in Rothgarnen Elberfeld (Dunkeln- 
berg; mit künftlichem Alizarin färbend) das fchönfte Roth gebracht hatte, wett- 
eiferten in Rougewaaren die Druckereien von Moskau (Morosoff, Hübner) 
und Glarus; beide Gruppen exportiren nach dem Orient. Vorzügliche Waare 
in Farbe und Ausführung hatte auch die Firma Steiner gebracht, ein aus dem 
Elfafs ftammendes Haus, welches, nach England ausgewandert, mit einem Capitale 
von 6 bis 8 Millionen Pfund Sterling arbeitet; diefe Firma hatte fich felbft vor der 
Jury als „aufser Mitbewerbung“ erklärt. Die Rougewaaren-Fabrication der 
Schweiz hat fich auch nach Vorarlberg und Süd-Deutfchland verbreitet, 
und namentlich im erften induftriellen Ländchen eine fehr thätige Vertretung 
gefunden (€. Ganahl in Feldkirch u. A.), w ährend gute, für locale Volkstrachten 
    
  
  
   
  
  
  
   
  
  
    
  
    
  
  
  
  
     
  
  
  
  
  
  
  
   
   
   
    
   
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
    
    
     
     
   
	        
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