Der internationale Congrefs der Flachsintereffenten.
keit innewohnt, und dafs der Lein aus der erften Entwicklung herausg
werde, ehe die anhaltende Trockenheit beginnt, weil damit die fchädlichen Ein-
fiüffe fern gehalten werden, welche die Leinfaat in der erften Jugend leicht
ftören und oft vernichten. Ich erinnere nur an die Erdflöhe, welche oft die Lein-
faat von vorneherein, beim Keimen, vernichten.
Dagegen fprechen fich zwar viele Anfıchten dahin aus, dafs die Frühfaat
durch Fröfte in Mitleidenfchaft gezogen wurde. Man hat jedoch anderfeits
die Beftätigung gefunden, dafs die einzelne Pflanze, wenn fie fich kräftig entfaltet
hat, eine weit gröfsere Widerftandsfähigkeit befitzt, als eine Pflanze, welche
kümmerlich emporwächft. Die Frühfaat wird befonders dann angezeigt fein, wenn
wir durch vorausgegangene Culturen den Boden kräftigen, fo dafs die Pflanze fich
dann ftark entwickelt und dadurch eine befondere Widerftandsfähigkeit gegen
Froft und Kälte erhält. Die Frühfaat dürfte fich demnach empfehlen, weil
dadurch eine gröfsere Sicherheit für das gleichmäfsige Aufgehen geboten wird,
weil fie weniger von den Erdflöhen leidet und weil, was befonders bei Klein-
wirthen der Fall ift, die Röfte noch in demfelben Jahre vollftändig durchgeführt
und dadurch im kommenden Winter mit der Aufbereitung vorgegangen werden
kann. Der Kleinwirth wird fich felten die Mühe geben, den Flachs 2 bis 3 Jahre
in Stroh aufzubewahren, er wird vielmehr wegen feines gröfseren Bedarfes nach
Geld trachten, das Produdt fo rafch als möglich zu verwerthen. Diefs wird aber
nur dann möglich fein, wenn er früh anbaut, damit er die Röfte noch in dem-
felben Jahre vollftändig durchführen und im Winter aufbereiten kann.
Die Frühfaat dürfte daher im Allgemeinen, weil fie eine kräftigere, ftärkere
Fafer liefert, entfchieden den Vorzug vor der Spätfaat verdienen.
Der Abfatz zwei des Antrages ı des Berichterftatters wird vom Congreffe
hierauf angenommen.
Der dritte Theil des Antrages r lautet:
„Die Anfaat von Lein als zweite Frucht ift, da fie eine wenig haltbare Fafer liefert, nicht
empfehlenswerth.“
Hieraus ift zu entnehmen, dafs der Flachs, als zweite Frucht oder als
Stoppelfrucht angebaut, felbftverftändlich nie einen befonderen Ertrag liefern
kann. Wenn wir der Anfıcht find, dafs der Flachs durch den frühen Anbau eine
kräftige, haltbare Fafer erhält, fo liegt es nahe, dafs, wenn der Anbau erft im
hohen Sommer vorgenommen wird, die Pflanze nicht befonders haltbar fein kann.
Antrag 2 lautet:
„Was die für den Flachsbau fo wichtige Düngungsfrage betrifft, fo ift auszu-
fprechen: Die Düngung mit Stallmift foll nur vor der Vorfrucht gefchehen. Die Anwendung
künftlicher Düngmittel dagegen, wie von Afche, Compoft, Phosphat, Chilifalpeter, kann mit
grofsem Erfolge unmittelbar zum Lein ftattfinden.
Die Kalkdiingung ift, da fie die Fafer rauh geftaltet und der Kalkftaub die Arbeiter
namentlich in der Hechelei beläftigt, nicht empfehlenswerth.“
Wir haben bei der Flachscultur auf die Befchaffenheit des Bodens, das
heifst derjenigen Subftanz, aus welcher der Flachs fich aufbaut, unfere Haupt-
aufmerkfamkeit zu richten. Es ift diefs leider noch ein wunder Fleck, und zum
gröfsten Theile ift die Wiffenfchaft daran Schuld, weil fie uns in diefer Beziehung
ganz im Stiche läfst, und uns nicht angibt, welche Form die einzelnen Nähr-
fubftanzen haben follen, inwelcher Form fie in die Pflanze eindringen, und welche
Metamorphofen fie in der Pflanze felbft durchzumachen haben. In diefen Fragen
liegt noch ein geheimnifsvolles Dunkel vor, und alle Verfuche, die auf die
Kräftigung des Bodens zum Behufe desFlachsbaues gemacht werden, gehen nicht
nach ftreng wiffenfchaftlichen Gefetzen vor, fondern haben mehr weniger den
Anftrich der Empirie, und durchgehends nur einen localen Werth. Dennoch
haben fich aus der Maffe von Erfahrungen einige allgemein giltige Normen
herausgebildet, und diefe find es, welche ich mir Ihnen im Antrage 2 vorzutragen
erlaube.