Full text: Fertige Kleider (Heft 20)

  
   
Jofef Migotti. Kinderkleider. 17] 
dabei zu Grunde und die geringe Zunahme der damaligen Bevölkerung zeigt 
deutlich, dafs manche Einrichtungen diefer Zeit für das allgemeine Wohl nicht 
die richtigen waren. 
Erft dem fpäteren Bürger- und Mittelftande war es vorbehalten, die Kinder- 
bekleidung zum Heile der heranwachfenden Generationen entfprechend umzu- 
geftalten; feit einigen Decennien jedoch und fpeciell feit den mehrfachen Austtel- 
lungen hat diefe Induftrie einen allgemeinen Auffchwung genommen und rafche 
Fortfchritte gemacht. Die Ausfteller, welche bei den früheren Expofitionen nur 
fpärlich vertreten waren, find diefsmal reichlich erfchienen. 
Es hatten nahezu alle Länder Europas ihre Kinderkleider zur Schau ge- 
bracht. 
Aus Paris fahen wir die Erzeugniffe eines erften Haufes (V essiere Paulin). 
Die Feinheit der Stoffe, der gefchmackvolle Aufputz, die forgfältige Zufammen- 
ftellung bekundeten deren Vorzüglichkeit. Zwei in Cartonage befindliche Garni- 
turen waren befonders bemerkenswerth, fie enthielten Alles zu einem Kinderanzug 
erforderliche, vom Hütchen bis zu den Schuhen; bei gleicher Stückzahl koftete 
das minder ausgeftattete ı5 Francs, während das andere reich dotirte mit 200 Francs 
notirt war; diefe bedeutende Firma befafst fich blofs mit der Confection von 
Kinderkleidern und Wäfche und erzielt einen jährlichen Umfatz von circa 0 Mil- 
lionen Francs. Italien (Bocconi aus Mailand) ftellte gut gearbeitete und lobens- 
werthe Stücke, durch welche in Anbetracht, dafs dafelbft meiftens Arbeiterinen 
zur Anfertigung derfelben verwendet werden, dem Gewerbfleifse diefer Firma ein 
rühmliches Zeugnifs gegeben war. 
Spanien brachte originelle, kunftvoll mit Leder benähte Jagdkleider für 
Knaben, deren Hauptvorzug jedoch in der Einfachheit des Schnittes und Gefäl- 
ligkeit der Form lag. 
Von der Firma Kalman aus Hamburg zeichnete fich die nett und zierlich 
gearbeitete Knabenuniform vortheilhaft aus, da fie derjetzigen Gefchmacksrichtung 
folgend, grellen Aufputz vermieden und den ftrammen auch die Jugend gut 
kleidenden Militärtypus, der gegenwärtig in Deutfchland vorherrfchend ift, zur 
Aufchauung brachte. 
München (Frey) Zeigte uns das baierifche Gebirgscoftüme, eine für Knaben 
von 6 bis I4 Jahren fehr praktifche Tracht, welche wegen ihrer Bequemlichkeit 
und aufserordentlichen Billigkeit fich weitaus einen Ruf verfchaffte. 
Aus Prefsburg (Tedesco) war eine reichhaltige Collection von Knaben- 
kleidern ausgeftellt. Sie waren für den Bedarf in den ungarifchen Ländern und 
zum Export beftimmt, und hatten demzufolge reichlichere Verzierungen und 
Befatze von Schnüren, Börteln und Knöpfen aufzuweifen, als dies bei uns 
üblich ift. 
Auch bei der ungarifchen Hausinduftrie fanden wir graziöfe Stücke, welche 
muftergiltig in Form und Schnitt als Repräfentanten der ungarifchen National- 
kleidung vielfeitige Anerkennung fanden. 
Aus Petersburg war das fo kleidfame, dem dortigen Klima entfprechende 
Nationalcoftume zu verzeichnen; es ift für Kinder im ganzen ruffifchen Reiche im 
Gebrauche, und zählt zu den Eigenthümlichkeiten jenes Landes. 
Rumänien, der als Pionnier in den Orient hineinragende Staat. gab 
blofs Urtypen der Kinderbekleidung zur Anficht, und zeigte dadurch zweifelsohne 
unferer gefchäftigen Kaufmanns-Welt ein Feld für ihre Thätigkeit. 
Griechenland gab mit feinen malerifchen Kindercoftumen ein Bild der 
feinen Goldverzierungen des Orients und der mühfamen Nadelarbeit der frü- 
heren Zeit. 
Selbft die Polarbewohner brachten uns die mit Leder überzogenen Kiftchen 
zur Anfiıcht, worin fie ihre Kinder vor den Unbilden des arktifchen Winters 
bewahren, und als Gegenfatz fahen wir das Negermädchen blofs mit einer 
Umhüllung von Palmblättern vor den fengenden Sonnenftrahlen gefchützt; beide 
  
  
  
   
  
   
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
    
   
  
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