GAMASECHEN.
Bericht von
FTSE RP MI SO 2 T1
Wenn man in den der Kunft gewidmeten Räumen unferer Ausftellung die
Meifterwerke der Malerei und Sculptur befichtigte, und fich das Studium einzelner
Theile zur Aufgabe gemacht hatte, fo wunderte man fich über die bei den hiftorifchen
Gemälden zur Anfchauung gebrachte Gleichförmigkeit der Fufsbekleidungen,
welche in der ganzen antiken Zeit andauerte und bis in die neuen Jahrhunderte
hineinreicht.
Wir fehen den allgemeinen Gebrauch der aus Holz- oder Lederftücken
beftehenden, nach verfchiedenen Fufsformen gefchnittenen Sandalen, welche mit
den dazu gehörigen Binderiemen um Vorfufs und Wadenbein gewunden waren
ınd meiftens unterhalb der Kniebeuge befeftiget wurden.
Die Unzulänglichkeit diefer Bekleidungsform, welche weder vor Froft und
Näffe, noch vor zufälligen Verletzungen fchützte, fondern blofs das ficherere Auf-
treten ermöglichte, gab Anlafs, dafs in fpäterer Zeit Obertheile an die bisher
alleinigen Sohlen befeftigt wurden und mit diefer wichtigen Verbefferung eine
totale Umwandlung der Fufsbekleidung herbeigeführt wurde.
Erft feit diefer Zeit fanden die vielen Erfindungen und Veränderungen auf
diefem Gebiete ftatt, welche wie Abfchnitte die verfchiedenen Zeitalter bezeichnen,
und zu dem jetzigen vervollkomneten Stande des Befchuhung führten.
Eine der wichtigeren Erfindungen, welche gemacht wurden, um nicht nur
den Fufs, fondern auch die nunmehr verfeinerte Befchuhung zu fchützen, war
die Gamafche.
Die Nützlichkeit diefes Kleidungsftückes ift überall bekannt, es leiftet
vortreffliche Dienfte, fchützt den Fufs und hält ihn warm, ohne feine Beweglichkeit
zu hindern. Obfchon die Anfertigung, der Gebrauch, die Reinigung desfelben mit
mancher Schwierigkeit verbunden ift, welche eine allgemeine Verbreitung des-
felben hemmen, fo bricht es fich dennoch immer mehr und mehr Bahn.
In Spanien, Mexico, Griechenland und der Türkei wird die bis zum Knie
reichende Gamafche getragen, fie bildet einen Theil der nationalen Kleidung,
und wird in den Erfteren diefer Länder mit feitwärts frei herabhängenden Bändern
benäht, wodurch der ganzen Tracht ein malerifches Gepräge verliehen wird; in
den letztgenannten zeichnet fie fich durch glänzenden Aufputz aus.
In Mitteleuropa kommt fie häufig im Gebrauch und wird in jüngfter Zeit
auch vom weiblichen Gefchlecht gerne benützt, um fich vor den Nachtheilen der
Erkältung und Durchnäffung der Füfse zu verwahren, welche Schädlichkeiten, nach
den Ausfpruche berühmter Aerzte, bei zarteren Organismen oftmals die Urfachen
hartnäckiger Herz- und Nierenkrankheiten find.
In den Alpenländern trägt fie der Tourift, um fich vor der Kälte, in den
Weingegenden der Winzer, um fich vor dem Sonnenbrande, in den fumpfigen
Maremmen Süditaliens der Jäger, um fich vor den Biffen der Schlangen zu
fchützen.
In mehreren Armeen ift fie als Equipirungsftück eingeführt, welches feine
Tüchtigkeit, namentlich in den Winterfeldzügen oftmals bewährt hat.
Wirkliche Sehenswürdigkeiten diefes Artikels waren in der griechifchen
Abtheilung unferer Ausftellung zu finden; fie gehörten zum Coftume der vor-
nehmen Griechen, waren reich mit Gold verziert und zum Preife von 800 Francs
das Paar verkäuflich; des befonderen Schnittes wegen verdienten fie die Beachtung
aller Fachleute.