Full text: Die Stickerei und die Spitzen (Heft 7)

   
  
  
  
  
> S\ 4* 
Ö Dr. Ferdinand Stamm. 
zu werden, und dann ergreifen fie die Zangen diefsfeits des aufgefpannten Stoffes, 
um fie mit den Faden Aueh. So ar das Spiel der Zangen wie die 
Finger zweier Hände, die abwechfelnd rechts und links die Nadel durchftechen 
un die Stiche ausführen. 
Sinnreich ift der Mechanismus, die Zangenreihen und auch die Nadeln zu 
ftellen, damit fie der Linie einer Zeichnung folgen. Dazu dient ein Hebelwerk 
in der Form eines Storchfchnabels oder Bon Der Arbeiter an der 
des Rahmens hat die Zeichnung in grofsem Mafsftabe vor fich, und wo er den 
Zeiger am Hebel in der Zei chnung aufftellt, dort führt die Mafchine die Stiche 
mit hundert Nadeln in derfelben Ordnung aus, aber in dem verkleinerten Mafsftabe, 
wie die Stickerei beabfichtiget if. Die Zeichnung kann auf diefe Art fehr 
genau ausgeführt werden. 
Teder: Stich mit der Mafchine dauert länger als mit der Hand einer geübten 
Stickerin, da aber bei der Stickerei fimaler Streifen auf der einen Malchine 
welche in der Ausftellung arbeitete, diefelbe zweihundertundacht Mal neben 
einander mit ebenfo viel Nadeln. die alle der Hebelftellung zugleich folgen, aus- 
geführt wurden, fo kann man berechnen, dafs die Arbeit wohl fünfzig bie hundert 
Mal fchneller vollendet wird alsmitder Hand: 0 Tu . 
Die Mafchine mufs aber der Hand noch viele Stickereien überlaffen. da fie 
nur für Weifsflickerei von mäfsiger Feinheit eingerichtet it. Die Nadel mufs feft 
und ftark fein, fie hat das Oehr an der mittleren ftarken Stelle und mufs den 
Faden neben der Nadel a EA Stich zwängen, fo dafs der Stich ein übermäfsig 
grofses Loch macht, das der Faden allein nicht füllt. Sie führt nur eine Art 
Stiche aus und ift für en wo der Faden oft gewechfelt werden mufs, 
nicht anwendbar. 
Das bezieht fich nur auf die Technik; in der künftlerifchen Leiftung, 
wo die Handftickerin nach ihrem Gefchmacke und Kunftgefühle die Zeichnung 
während der Arbeit zur gröfseren Wirkung bringt, kann die Stickmafchine noch 
weniger mit der kunftfertigen Hand wetteifern. 
Die Handfpitzen. 
Die Londoner internationale Ausftellung 1862 brachte die englifchen 
Spitzen zur Geltung. Nicht allein Alles, was in dem Ausftellungspalafte an 
vorragender Stelle von Spitzen aufgehängt war, mehr noch, was an einem fchönen 
warmen Sonntag im Hydepark die Iuftwandelnde en Ladies und Missesin der Form 
von Schleiern, Mantillen, Shawls und Borten an Spitzen trugen, war fo fchön, fo 
kunftvoll und reich, dafs es den Sachkenner entzücken mufste 
Der zarte Lilienteint der blondlockigen Engländerinen wird durch einen 
Spitzenfchleier noch erhöht, und wieder erhöhen diefe ätherifchen Geftalten die 
Wirkung der zarten Spitzen. Der Gaft aus füdlichen Gegenden konnte diefe 
Frauen, wie fie über den grünen Sammtteppich des Parkes hinzogen, für Feen- 
erfcheinungen aus einem Mährchen halten. 
Die Parifer Weltausftellung vom Jahre 1867 zeigte, was die franzöfifche 
Spitzeninduftrie leiften kann, in vollfter Pracht. Hie r war die Spitzenrobe 
das Meifterwerk, und wenn man auf der Etiquette einer folchen Robe las, dafs fie 
zwanzig Taufend Francs kofte, fo konnte man auch dann, wenn man weniger ver- 
traut war mit der Technik diefer Induftrie, fchon ermeffen, welche Arbeitsmühe, 
Kunftfertigkeit und Kunfleiftung in einem folchen Werke der Nadel oder des 
Klöppels enthalten fei. 
Wer nun die Gunft genofs, einem Ballfefte im Hötel de Ville oder einem 
Hoffefte in der Ausftellungsfaifon anzuwohnen, und hunderte Damen in ‚folchea 
Spitzenroben auf rothem Sammt und blauer Seide, jede Robe nach einer befonderen 
freien Zeichnung, jede ein Original, fo dafs man von der Spitzenrobe einer oder 
der anderen Herzogin, wie von ihrem Diamantenfchmuck in befonderer Fafflung 
  
  
  
   
   
  
  
  
   
   
  
   
  
  
  
   
   
   
  
   
   
  
       
   
       
   
   
  
     
       
   
    
     
           
   
   
    
   
     
   
         
     
    
    
   
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.