Full text: Schuhwaaren (Heft 64)

Schmuckfedern, künftliche Blumen und Haararbeiten. r3 
ift heute ein Behelf der Toilette und in der Kunft des Perrückenmachens der 
Darbieter von Schutz- und Wärmemitteln oder auch der geheimnifsvolle Bedecker 
von Toilettengeheimnifs. Es kommt hiebei auf die Kunft an, das natürliche Haar, 
den Fall und Wurf desfelben auf einer geeigneten todten Fläche täufchend 
und der Bequemlichkeit nachgehend nachzuahmen. Allgemein oder wenig- 
ftens zum gröfsten Theil werden die Perrücken durch Druckfedern auf dem 
Kopfe befeftigt und wie fchon früher, fo fah man auch auf der Wiener Weltaus- 
ftellung mancherlei Verfuche die drückende Feder zu befeitigen und das Haften 
auf dem Kopfe durch künftliche Nachbildung der Schädel zu erfetzen. Durch den 
Bedarf dafür und jenen für die Chignons und falfchen Zöpfe der Frauen ift der 
Haarhandel ein ganz anfehnlicher und zeigt z. B. die Exportziffer von Frauen- 
haaren aus Böhmen nach Amerika im Jahre 1873 einen Werth von 10.500 fl. 
Leipzig bildet einen der bedeutendften Märkte dafür und im Verhältnifs ift die 
Haarmeffe keineswegs geringer als die Pelz- und Buchhandelmeffe. 
Die künftlichen Blumen. Wir kommen nun zu dem reizendften und 
jedenfalls auch ergiebigften Gebiete der in diefe Section eingereihten kunftindu- 
ftriellen Arbeit. Die Blume bietet fchon auf dem freien Felde ebenfo wie im Zier- 
garten, ja felbft in der Sclaverei des Treibhaufes ein dem menfchlichen Fühlen und 
Denken überaus naheftehendes natürliches Gebilde. Dem Nebenmenfchen, dem 
Gleichfühlenden drücken wir durch Blumen oft mehr aus, als wir durch Worte 
vermögen. Freude und Schmerz, Wonne und Trauer fuchen wir in dem reichen 
und wechfelvollen Schmuck der Blume äufserlich darzuftellen. Dadurch nimmt 
wohl feit Menfchengedenken die Blume des Feldes wie des Gartens eine beftimmte 
Stellung in Mitte des menfchlichen Kleides und des Schmuckes desfelben ein. 
Die Verwendung dafür war aber von jeher viel beengter als jene der Federn der 
Vögel und andern natürlichen Zierrathes. Vor Allem welkte die Blume und erftarb 
in der Krone, die das Haupt der Jungfrau fchmückte, in dem Kranze, der die 
Tänzerin zierte, in dem Straufse, der das Kleid fchmücken follte und erftarb im 
Wechfel der Jahreszeit der Blüthenreichthum überhaupt, fo verlor der Menfch 
auch die ergiebigfte Quelle feines Schmuckes und feiner Freude. Und fo 
mögen die künftlichen Blumen allmälig entftanden fein. Lange vor Chriftus 
wurden, wie Plinius erzählt, die xünftlichen Blumen von Egypten nach Griechen- 
land eingeführt und zwar zum Schmucke der Jungfrauen, Tänzerinen, Schau- 
fpieler u. f.w. Zu Cäfars Zeiten fchmückten die Frauen der Römer ihre Haare 
mit künftlichen Blumen, die aus vielfarbigen Seidenftoffen oder der Rinde des 
Papyrus gemacht und damals fchon mit feinen Wohlgerüchen gefüllt waren, die 
in Natur den Blumen eigen. Wir wiffen desgleichen, dafs die Chinefen feit langen 
Jahrhunderten die Kunft geübt haben, aus den Federn der Vögel, aus einzelnen 
Seidenfloffen, die befonders dafür gewebt waren, und endlich aus dem Marke 
gewiffer Planzen kunftvolle Blumen zu erzeugen. Diefes Mark fpielt heute noch 
eine ganz befondere Rolle und wird zumeift bei den künftlichen Blumen der 
Gräfin Baudiffin verwendet. Man bezeichnet die Maffe mit Reispapier, trotzdem 
dasfeibe weder von der Reispfianze ftammt, noch eine eigentliche Papierconfiftenz 
befitzt. Es ift eine fchwammige, brüchige, fchneeweifse, oblatenartige Maffe, 
welche aus dem Marke einer befonders auf der Infel Formofa wachfenden Pflanze 
gewonnen wird, die in die den Doldenpflanzen naheftehende Familie der Ara- 
liaceen gehört und Aralia papyriphera Haok heifst. Diefes Reispapier hat die 
Eigenfchaft, dafs die darauf gebrachten Farben überaus brillant und fammtweich 
erfcheinen, und durch feine Dichtigkeit fowohl als feine Transparenz es fich aufser- 
ordentlich für künftliche Blumen eignet. Der Blumenreif, der fonft erft künftlich 
aufgeftreut werden mufs, findet fich hier fchon im Material und zeichnet eben die 
vollendeten Werke der Gräfin Baudiffin ganz befonders aus. Wir werden fpäter 
roch auf die glänzende Ausftellung diefer Dame zurückkommen. 
eng 
  
  
  
  
   
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
  
  
   
  
   
  
  
  
  
  
  
   
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
  
  
  
  
  
   
   
    
  
 
	        
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