14 Dr. C. Th. Richter.
Im Mittelalter haben die feefahrenden Italiener und fpäter die Spanier die
Erzeugung von künftlichen Blumen befonders gepflegt Der feinfte Battiftftoff,
Gaze und befondere Seidenftoffe bildeten das Rohmaterial dafür, neben jenen
roheren Stoffen, dem Goldpapier und anderem gemalten Papier, aus welchem
man frühzeitig in den Klöftern, die zum Schmucke der Kirchen und Altäre dienen-
den Blumen in Auffätzen, Kränzen und Guirlanden erzeugte. Heute noch fpielt
gerade in dieferRichtung das Papier eine grofseRolle, da die für den Kirchendienft
nothwendigen grofsen Mengen von Blumen und Guirlanden nur aus farbigem
Papier erzeugt werden. Frankreich, Deutfchland und in den letzteren Jahren auch
Oefterreich, haben ganz befondere Fabriken für die Erzeugung der dabei nöthigen
Luxus- und Phantafiepapiere. Das Gebiet des nordweftlichen Böhmens, in wel-
chem Taufende von Frauen- und Kinderhänden mit der Erzeugung von künftlichen
Blumen befchäftigt find, producirt gerade in diefer Richtung ungeheure Mengen,
die faft über alle katholifchen Länder im Handel verbreitet werden. Leider hat
diefes Gebiet des fogenannten böhmifchen Niederlandes an der Ausftellung fich
nicht betheiligt, was wir lebhaft bedauern, da neben den Papierblumen auch
ganz vorzügliche Arbeiten aus den verfchiedenften gewebten Zeugen, Leinwand,
Percail, Crepp, Taffet, Sammet und ganz bedeutende Quantitäten Strohblumen
in diefen Gegenden erzeugt werden.
Als endlich im Anfange des vorigen Jahrhunderts Frankreich zu Lyon und
endlich zu Paris die Blumenerzeugung begann und als Seguin, ein Künftler
und ein Mann der Wiffenfchaft, die forgfältigfte Nachahmung der Natur bei den
künftlichen Blumen und Blättern empfahl und durch feine eigenen Werke auch
überzeugend darftellte, da bildete allmälig fich der Boden einer Induftrie aus,
welche heute für Frankreich den Werth von mehr als 25 Millionen Francs reprä-
fentirt und die in Paris allein 15.000 Arbeiter oder beffer Arbeiterinen glücklich
befchäftigt. Uebrigens ift diefe hohe Entwicklung felbft für Frankreich noch fehr
jung, denn noch unter Ludwig XVII. und CarlX. hatten die wahrhaft künftlerifch
gearbeiteten Blumen noch einen fo hohen Preis, dafs fie nur bei aufserordent-
lichen Gelegenheiten gekauft und verwendet wurden.
Erft nach den dreifsiger Jahren entwickelte fich jene grofsartige Theilung
der Arbeit, welche Friedrich Uhl bei Gelegenheit der Parifer Ausftellung 1867 fo
ausführlich gefchildert hat, und welche allmälig Frankreich mit diefem Artikel
wahrhaft weltbeherrfchend machte. Heute wie damals nimmt der Graveur und
der Erzeuger der Werkzeuge die wichtigfte Stelle in der Erzeugung der künft-
lichen Blumen ein und je forgfältiger die Matrize oder das Modell die Natur
nachahmt, defto vollendeter wird die daraus hervorgegangene Blume erfcheinen.
An die Graveure reihen fich die Fabrikanten der einzelnen Beftandtheile der
Blumen und die Verfertiger der Blätter, in welchen beiden Gebieten heute eine
folche Theilung der Arbeit durchgeführt ift, dafs man aufser der Nadelfabricatioü
Englands, der Glasquincaillerie Böhmens nichts mit ihr vergleichen kann. Zu
diefen Fabrikanten kommen dann noch die eigentlichen Blumenmacher, die,
indem fie jedem einzelnen Beftandtheile die letzte künftlerifche Form geben,
die einzelnen Blumen, Blüthen und Blüthenzweige zufammenfetzen, dann die
Blumenmodiften, welche aus fertiger Waare, Bouquets, Kränze, Ball-, Kleid-
und Hutzierden zufammenftellen, und welche als letzte Inftanz die Mode der
ganzen Welt beffimmen. Heute ift diefs Alles vollkommen durchgebildet und es
ift natürlich, dafs damit Routine und Gefchmack fich ebenfo aufserordentlich ent-
wickeln, wie die Preife der kunftvollften Blumen fich allmälig erniedrigen müffen.
So fah man denn wie einft in Paris fo auch in Wien die Gallerie der franzöfifchen
Kunftblumen von taufend und aber taufend Befuchern gefüllt, die mit wahren
Frühlingsfreuden die Bouquets der lichtblauen Parmaveilchen, der Rofen und
Camelien bewunderten und dem erfrifchenden Genuffe fich hingaben. Neben den
einfachften Feldblumen, Aehren, Mohn und Cyanen bis zu den Difteln fand man
die kunftvollfien Rhododendrons, Orchideeen und die fchwierigfte der nachzu-