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90 S. Goldfchmidt.
Wir haben nun noch die verfchiedenen Verfuche, radicale Aenderungen
und Verbefferungen in der Gerberei einzuführen, zu erwähnen, die auf der Aus-
ftellung vertreten waren, wenn diefs auch nur flüchtig gefchehen kann, da die
Manipulationsweife und die Refultate befonders des Gewichtsergebniffes und
der Haltbarkeit nicht angegeben waren. Soweit uns bekannt ift, waren diefs blofs
die fchon früher erwähnten Sohlleder von N. Baluffi & Sohn, ferner von
H. Gramm in Ludwigsluft, Leder mit Mineralfalzen präparirt, dann von Ram-
bacher in Antoing, kleine Riemenproben und endlich Sohlleder mit dem
Miller’fchen Extradt gegerbt. Der Miller’fche Extrad, aus der canadifchen Fichte
(pinus canadienfis) erzeugt, gerbte nach Angabe das ausgeftellte Sohlleder in
sechs Monaten und die ausgeftellte Walrofshaut in acht Wochen. Noch haben
wir des Extractes aus Kaftanienbaum-Holz vom Aime Koch et Comp. zu erwähnen.
Wenn wir nun diefe wenigen Verfuche, zu ändern und zu beffern, deren
Refultate noch dazu fraglich find, gegen die grofse Maffe derer halten, die noch
faft genau an dem alten Verfahren hängen, das wir fchon in demälteften Werke
über Gerberei, welches 1708 von Desbillets, Mitglied der königlichen Akademie
der Wiffenfchaften in Paris, erfchien, befchrieben ift, fo dürfen wir wohl behaupten,
dafs das Gerbergewerbe eines der confervativften ift, daes kaum ein zweites geben
dürfte, in dem im Verlaufe von mehr als anderthalbhundert Jahren die Chemie
nicht eine radicale Umwälzung hervorgebracht hat; es ift diefs um fo mehr zu ver-
wundern, als die praktifche Chemie auf allen Gebieten der Induftrie fo riefige
Fortfchritte gemacht hat und gerade hier, wo es fich um rein chemifche Proceffe
handelt, ein fo weites Gebiet menfchlichen Wiffens und Wirkens unbeachtet liefs.
Es wurden zwar die verfchiedenartigften Verfuche gemacht, aus der thieri-
[chen Haut, durch Einwirkung anderer Stoffe als Vegetabilien fchneller oder beffer
dem lohgaren ähnliches Leder zu erzeugen, aber immer fcheiterten diefelben an
der Unrentabilität in Bezug auf den Koftenpreis oder das Gewichtsergebnifs oder
an der geringeren Haltbarkeit des Fabricates, und die hervorragendften unter den
Freunden des Fortfchrittes auf dem Gebiete der Gerberei mufsten ihre Verfuche
oft mit dem Verlufte ihres Vermögens büfsen ; und warum follte es doch unmöglich
fein, diefen Gerbftoff auch auf anderem Wege als aus Vegetabilien zu bereiten und
durch Verbindung mit der thierifchen Haut Leder zu erzeugen ?
Wohl wird man einwenden, dafs fich fchon bedeutende Chemiker mit der
Analyfe folcher Stoffe befchäftigt, dafs fchon fehr intelligente Gerber diefes Ver-
fahren gefucht und ihre Verfuche theuer gebüfst haben, ohne praktifche Erfolge
zu erzielen. Was aber dem Einen nicht gelang, dem nur die Theorie, und dem
Anderen, dem nur die Praxis geläufig, — follte diefs unmöglich fein, wenn die Theorie
mit der Praxis, wenn der Chemiker mit dem Gerber vereint einem gleichen End-
ziele zuftreben ?
Die Gerberei ift ein Gewerbe, deffen Refultate auf der Einwirkung gewiffer
Stoffe auf die thierifche Haut, beruhen, diefe zu finden, wäre die Aufgabe des
Chemikers. Diefe Einwirkung fo zu leiten, dafs ein möglifchft praktifches Refultat
gewonnen wird, wäre die Aufgabe des Gerbers. Dem Einzelnen ift bis jetzt die
Löfung der Aufgabe auf anderem als dem bisherigen Wege, beffer, billiger oder
fchneller Leder herzuftellen, nicht gelungen. Wäre es nicht dem mächtigen Hebel
der Affociation möglich, was dem Einzelnen nicht gelang?
Solltees nichtmöglich fein, durcheinen Vereinder dabei
am meiften intereffirtenLederfabrikanten eine Verfuchsfation
fürGerberei zu gründen, wonach Anftellung eines bewährten
Chemikers und eines tüchtigenGerbers, die vereint arbeiten
würden, Verfuchegemachtwerdenkönnten,ohnezu grofseKoften
für den Einzelnen, eine complete Umwälzung desbisherigen
Gerbeverfahrens aufwiffenfchaftlichemund praktifchem Wege
herbeizuführen, und zugleich ein Infitut zu gründen, woalle
neuen Erfindungen auf dem Gebiete derHilfsmafchine fürdie