Full text: Die Goldschmiedekunst (Heft 88)

   
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
8 Jakob Falke. 
Tagen ift mir niemals ein Werk in edlem Metall zu Geficht gekommen, das künft- 
lerifch fich anders als eine Lahmheit oder eine Verirrung dargeftellt, ja das auch 
nur vom Standpunkt der Arbeit unfere befondere Aufmerkfamkeit erregt hätte. 
Indefs mufste fich doch die Goldfchmiedekunft während diefer Jahrzehnte 
in beflimmten Formen bewegen und fie that das auch. Diefe Formen — ich erin- 
nere an die Leuchter, Becher, Kannen, Töpfe und fonftiges Silbergefchirr der 
Tafel — waren anfangs allein diejenigen des Rococo, welche ohne alle Schöpfer- 
kraft wieder aufgenommen und mechanifch fortgepflanzt wurden, ohne Leben, 
ohne Verftändnifs für ihre Wefenheit. Es waren eben Formen, die geübt wurden 
in Ermanglung eigener und felbftgefchaffener. 
Alsbald trat aber zu diefen überkommenen und verkommenen Bildungen 
eine neue Kunftart, die man als etwas, was der Zeit eigenthümlich war, mag gel- 
ten laffen. Diefs ift der Naturalismus. Wie in Verzweiflung und Rathlofigkeit hatte 
fich der Zeitgefchmack an die Blume gemacht und fie zum Ein und Alles feiner 
Ornamentation erkoren, und zwar überall dabei nur möglichft naturgetreue Nach- 
bildung angeftrebt. Wo und wie fie fonft angebracht wurde, war gleichgiltig. Die 
Blume oder im weiteren Sinne die Pflanze blieb aber nicht blos Ornamentation, 
fie wurde Form, d.h. fie fetzte fich als Gefäfs oder Geräth an die Stelle deralten, 
wohlbegründeten naturgemäfsen Formen. Was aber mit den Blumen und Pflanzen 
gefchehen konnte, das war denn auch mit Thieren und Menfchen möglich, die 
naturaliftifch ganz in derfelben Art und in demfelben Sinne hinzutraten. Eulen, 
Füchfe und anderes Gethier wurden zu Gefäfsen, ihre Köpfe bildeten die Deckel, 
Palmen, welche Schalen trugen, während Neger oder fonft allerlei exotifches 
Volk den Stamm umtummelten, bildeten Tafelauffätze ; Champagnerkühler oder 
Punfchbowlen beftanden aus hohlen Eisblöcken, über welche Seebären hinweg- 
<letterten. 
Das war nach der formellen Seite der Zuftand der Dinge bei den Silber- 
arbeiten vor dem Beginn der Reformbeftrebungen in der Kunftinduftrie: einer- 
feits abgelebte reizlofe Rococoformen, andererfeits — und in diefer Beziehung 
fuchte man befonders künftlerifche Aufgaben zu löfen — naturaliftifche Gebilde. 
Die Frage ift nun, welche Veränderungen find feitdem eingetreten? Ift der Stand- 
punkt zur Zeit der erften Weltausftellung von 1851 ein überwundener? Haben 
fich Gefchmack und Arbeit dem Befferen zugewendet? Und in welcher Richtung 
ift diefes gefchehen ? 
Bei dem Verfuch, diefe Fragen mit voller Sicherheit durch unfere Welt- 
ausftellung zu beantworten, ftofsen wir allerdings auf einige Schwierigkeiten. 
Nicht alle Staaten hatten Silberarbeiten ausgeftellt oder hatten es wenigftens in 
genügendem Mafse gethan. Frankreich felbft, das diefen Kunftzweig unter 
feine bevorzugten und glänzendften rechnen kann, war eigentlich nur mit einem 
einzigen Ausfteller vertreten, mit diefem allerdings in höchft ausgezeichneter 
Weife. Aber diefer eine, Chriftoflein Paris, hatte die gewöhnlicheren Arbei- 
ten der Mode und des Gebrauchs, wie fie in Frankreich in Uebung find, zu Haufe 
gelaffen und war nur mit exquifiten Gegenftänden erfchienen. So konnte man an 
ihm fehr wohl erkennen, was Frankreich zu leiften vermag, nicht aber, was in 
diefem Lande der herrfchende Gefchmack bei den in Gebrauch ftehenden Dingen 
ift. Ein deutlicheres Bild, welches die höheren und die gewöhnlichen Leiftungen 
zugleich umfafste, gaben die Ausfteller Englands, unter denen Elkington 
in Birmirgham und Hancock in London hervorragten. Noch klarer zeigte fich 
der Zuftand der Dinge erkennbar bei Deutfchland, das uns eine reiche 
mannigfache, in gewiffer Weife felbft grofsartige Ausftellung von Silberarbeiten 
vor Augen führte. Ihr Eindruck und ihre Ueberficht wurden aber dadurch gefchä- 
digt, dafs die Gegenftände aufserordentlich zerftreut aufgeftellt waren. Diefer 
Umftand beeinträchtigte auch die fonft vortrefflliche Collection der Silberarbeiten 
Dänemark’s, das gerade in diefer Beziehung nicht unbedeutend erfchienen 
war. Auch Holland hatte ein paar Fabrikanten moderner Silberwaaren gefendet, 
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
  
   
	        
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