Full text: Die Goldschmiedekunst (Heft 88)

     
  
   
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
    
Silberarbeiten. 9 
die für das kleine, aber reiche Land einige Figur machten. Italien glänzte nur 
auf dem Gebiete des Schmuckes, ebenfo auch Portugal, dagegen Spanien 
und Belgien mit kirchlichen Gegenfländen. Am reichften war naturgemäfs 
Oefterreich erfchienen, doch wurden auch hier Erkenntnifs und Ueberficht 
durch die getrennte Aufftellung an gar verfchiedenen Orten zerftört. Neben die- 
fen modernen europäifchen Staaten hatten dann noch die Türkei und Indien 
ihre Beiträge in orientalifcher Art geftellt, während Rufsland zwifchen Afıen 
und Europa mit zahlreichen und bedeutenden Leiftungen eine befondere Stel: 
lung in national eigenthümlicher Art einzunehmen trachtete und auch einnahm. 
Unter diefen Umftänden war es leichter, fich eine Anfchauung von der 
Leiftungsfähigkeit zu machen oder von dem, was auf der Höhe gefchieht, als 
von dem Gros der Dinge ein richtiges Bild zu gewinnen. Indeffen mit einiger 
Combinationsgabe konnte man auch darüber nicht in Zweifel bleiben. 
So konnte man fich der Wahrnehmung nicht verfchliefsen, dafs in den 
Silberarbeiten trotz zehn- oder zwanzigjähriger Reformbeftrebungen der gefchil- 
derte Zuftand der Dinge in formeller Beziehung keineswegs ein überwundener 
Standpunkt ift, dafs vielleicht noch die Maffe des gewöhnlichen Fabrikats einer- 
feits von Rococoformen oder wenigftensfolchen, die abfolut nichtsfagend find, neben 
naturaliftifchen Bildungen beherrfcht wird. Andererfeits ift aber auch mit gleicher 
Entfchiedenheit anzuerkennen, dafs man die befferen künftlerifchen Aufgaben 
faft durchgängig in anderer, höherer Weife zu löfen fucht, fei es durch die 
Renaiffance, fei es durch griechifche Motive, fei es fonft in anderer Art. In diefer 
letzteren Beziehung herrfchte eine aufserordentliche Mannigfaltigkeit und folglich 
auch Unentfchiedenheit und Haltungslofigkeit, ein Charakterzug, der am deut- 
lichften bei den englifchen Arbeiten zu Tage trat, während die öfterreichifchen — 
ich meine natürlich die befferen und kunftvolleren am meiften einheitliche 
Richtung zeigten, und zwar auf dem Wege der Renaiffance. 
Fragen wir zunächft nach den gewöhnlichen, herkömmlichen- und bedeu- 
tungslos gewordenen Formen, fo zeigten fie fich ganz insbefondere in Deutfch- 
land und auch in den kleineren Staaten, fowie bei vielen öfterreichifchen Aus- 
ftellern zu Haufe, während die Armleuchter, Girandoles, Gefäfse für Speifen, 
Thee und Kaffee bei dem Parifer Chriftofle, foweit fie dem gewöhnlicheren 
Gebrauch angehörten, die beftimmtere Form der Stilarten des XVIII. Jahrhun- 
derts angenommen hatten. Bei den beiden holländifchen Fabrikanten Boone- 
bakker & Zoon in Amfterdam und van Kempen in Utrecht, Haag und Rot- 
terdam waren in Vafen, Gefäfsen und Theegeräth die herkömmlichen Formen 
faft einzig und nur zum Theil von naturaliftifchem Ornament überdeckt; nur hier 
und da zeigte fich ein Anklang von befferer Richtung in Anftrebung eleganterer 
Bildung der Contouren, z. B. bei Boonebakker’fchem Theegefchirr mit Elfenbein- 
griffen. Wie die Holländer grofse Aufgaben anfaffen, werden wir fpäter fehen. 
Ganz auf dem gleichen Standpunkt ftand unter den deutfchen Fabriken die von 
Jürft in Berlin, wenn fie auch nach Berliner Art antike Motive damit zu ver- 
flechten trachtete, während die dänifche Fabrik von Chriftefen in Kopen- 
hagen zwar fich nicht von der jüngften Vergangenheit und ihrer Art losgefagt 
hatte, aber doch dem Gefchirr durchwegs edlere und elegantere Linien zu geben 
trachtete. Wir werden fpäter bei Gelegenheit des Schmuckes auch andere gute 
Seiten diefer Fabrik kennen lernen. 
Unter denjenigen Fabriken der ganzen gebildeten Welt, welche noch dem 
wildeften Naturalismus huldigen, ftehen die deutfchen obenan, und zwar war es 
auf der Weltausftellung felbft diejenige von Koch & Bergfeld in Bremen, 
welche ihn am ungemifchteften zum Ausdruck brachte. Ihr zur Seite ftellte fich 
aus Süddeutfchland Dominicus Kott in Schwäbifch-Gmünd mit Glasfchalen tra- 
genden Eichbäumen, unter denen allerlei Jäger und Jagdthiere ihr Wefen trieben. 
Das Verkehrtefte, weil Anfpruchsvollfte, in diefer Richtung hatte aber wohl 
Bruckmann in Stuttgart gefendet, der die poefie- und reizvollen Zeichnungen 
  
  
  
  
 
	        
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