Full text: Die Goldschmiedekunst (Heft 88)

  
  
  
  
  
  
  
  
  
     
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
    
Jakob Falke. 
Es gibt, ohne zur vollen Vergoldung greifen zu müffen, noch einen Weg, 
der dem Silber Glanz und Farbe, alfo fein Wefen läfst, und doch auch dem 
Relief fein Recht bewahrt, ohne zur ftumpfen Oxydirung greifen zu müffen. Die- 
fen Weg hatten die Franzofen oder vielmehr Chriftofle bei vielen feiner fchön- 
ften und reizendften Arbeiten, namentlich auch bei folchen, die mit Laub und 
Figuren gefchmückt waren, eingefchlagen. Er befteht einfach darin, dafs man 
den Gegenftand vergoldet und die Vergoldung bis auf einen zarten, warmen 
Schimmer wieder abreibt. So bleibt das Silber in feiner Eigenthümlichkeit, ver- 
liert aber gänzlich den kalten und ftechenden Ton und erfcheinthöchft angenehm 
für das Auge. Diefes Verfahren ift aus künftlerifchem Gefichtspunkte im höchften 
Grade beachtenswerth. 
Auf diefe bisher erwähnten Verfahrungsweifen befchränkte fich im Allge- 
meinen die Behandlung der Oberfläche bei den modernen Silberarbeiten. Wir 
fehen dabei von der Cifelirung oder Gravirung als gemeinfamer Technik ab. In 
diefer rein technifchen Beziehung wäre nur das zu erwähnen, dafs das Treiben 
des Silbers bei künftlerifchen Gegenftänden zur Verzierung mit Ornament oder 
Figuren, das in alter Kunft allbeliebt und verbreitet war, heute eine verhältnifs- 
mäfsig fehr feltene Procedur ift und in faft allen Fällen durch den Gufs und naeh- 
folgende Cifelirung erfetzt wird. Die häufigfte Anwendung des Treibens gefchieht 
bei den kirchliehen Gegenftänden, auf welche wir noch in Kürze zu fprechen 
kommen werden. Doch haben wir vorher noch von einigen fpeciellen Decora- 
tionsweifen des Silbers zu reden, die allerdings heute am häufigften bei den 
Schmuckarbeiten oder in der kirchlichen Kunft angewendet werden, jedoch uns 
auch in den nationalen Arbeiten und hier und da auch bei den modernen begeg- 
nen. Wir meinen insbefondere Niello und Email. 
Das Niello, die Ausfüllung ausgravirter Verzierungen auf der Silber- 
platte mit metallifcher Schwärze, gehört ebenfalls zu den technifchen Ornamen- 
tationsarten, welche, im Mittelalter und noch in der Frühzeit der Renaiffance 
viel geübt, heute aus der modernen Goldfchmiedekunft verfchwunden waren. 
Nur die nationale Kunft des Orients und Rufslands hat fie bewahrt. Von daher 
ftammten auch vor allem die Beifpiele auf der Ausftellung. Es waren theils Waf- 
fen, insbefondere Dolchfcheiden, die mit niellirten Silberplatten belegt waren, 
vorzugsweife Arbeiten aus dem Kaukafus. Uebrigens kennen fie auch verfchiedene 
Provinzen des türkifchen Reiches. Der Effedt in der Verbindung der polirten 
Schwärze mit dem Silber ift gut und fein, die Ausführung aber bei diefen orien- 
talifchen Waffenftücken keineswegs fo vollendet und ausgezeichnet, wie bei den 
älteren Arbeiten, insbefondere Italiens. Die Zeichnung ift breiter und gröber 
gehalten. 
Auch die ruffifchen Niellen, die nach dem hauptfächlichften Fabrikations- 
ort unter dem Namen der „Tula-Arbeiten“ weltbekannt geworden, find keines- 
wegs mehr das an Schönheit, Feinheit und Originalität, was fie einft waren. Jede 
Ausftellung und insbefondere die unfere, wo fie beiverfchiedenen Goldfchmieden 
in grofser Zahl erfchienen waren, zeigt den Rückfchritt vergröfsert, und zwar 
befteht diefer Rückfchritt darin, dafs die alte Weife aufgegeben wird und das 
Genre fich zu modernifiren, fich auf europäifchen Fufs einzurichten trachtet. Die 
alten Arabesken, die fich in reizenden Zügen und Verfchlingungen fo hübfch 
über die blanke Silberfläche vertheilten, werden erfetzt durch Städte-Anfichten, 
Landfchaften oder gar Porträts, und was das Schlimmfte ift, es wird der Grund 
vergoldet, wodurch eine ganz ordinäre Wirkung ftatt der feinen und vornehmen 
Haltung entfteht. Zugleich verfchlechtern fich die Formen diefer kleinen, fonft 
fo zierlichen Gefäfse und Geräthe, fo dafs das Genre in jeder Beziehung finkt. 
Je mehr diefer Verfall in Rufsland eintritt, je mehr foll die europäifche 
Fabrikation daran denken, das Genre für fich aufzunehmen und zu verwerthen. 
Es müfste freilich nach den alten Vorbildern gefchehen oder nach dem, was 
noch in echter Weife im Orient gefchaffen wird. Der Anfang ift auch bereits dazu
	        
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