Full text: Die Goldschmiedekunst (Heft 88)

  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
        
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
    
38 akob Falke. 
reich ift es auch wohl, welches darin die antiken Motive eingeführt hat, obwohl 
es felber mag von Italien beeinflufst worden fein. Seine Nachtreter in die- 
fer Handelswaare find die deutfchen Fabriksftätten, die fich zu gewiffer Viel- 
feitigkeit der Technik und Feinheit der Arbeit aufgefchwungen haben, in Erfin- 
dung und Zeichnung aber noch gänzlich unfrei find. Die grofsen Silberarbeiten 
Deutfchlands dagegen von Berlin, München, Nürnberg find völlig felbtt- 
ftändig in ihrem Kunftcharakter, fehr verfchieden unter fich und doch in gleicher 
Weife allefammt unabhängig von Frankreich und verfchieden von franzöfifcher 
Weife. Andere gröfsere Silberarbeiten Deutfchlands, z. B. von Stuttgart, Bremen 
und anderen Orten, folgen noch dem Naturalismus und üben damit noch eine 
Weife, die bereits von Frankreich perhorrescirt wird. Ihre gewöhnlichen Gegen- 
ftände jedoch, Leuchter oder fonftiges Tifch- und Theegeräth, das formell nicht 
höhere Anfprüche erhebt, bewegt fich in herkömmlichen, abgelebten, zum Theil 
noch ftark vom Rococo durchwachfenen Formen. 
Auch Frankreich hat diefes Genre für feinen Hausgebrauch noch nicht 
abgeftreift, aber es erfcheint kluger Weife damit nicht mehr auf den Weltaus- 
ftellungen. In demjenigen, was es der Völkerconcurrenz vor die Augen der Welt 
bringt, ftrebt es höhere Ziele an, doch fchwankt es dabeiinfeinen künflerifchen 
Richtungen. Es liegt in feiner Art, dafs es nicht blos technifch, fondern auch 
ftiliifch abfichtlich nach der Vielfeitigkeit trachtet. Während die gröfseren 
öfterreichifchen Silberarbeiten entfchieden die Tendenz der Renaiffance zu 
erkennen gaben, war etwas Aehnliches bei Frankreich nicht der Fall. Die grofse 
Ausftellung von Chriftofle — einer für viele — zeigte zahlreiche, echt franzö fifche 
Gegenftände im Stil Louis XV. und Louis XVI., manche, die auf die Renaiff ance 
zurückgingen, viele in antikifirender Art, namentlich mit Benützung des Hildes- 
heimer Fundes; andere endlich, welche chinefifche, japanefifche und indifche 
Imitation erkennen liefsen. Gemeinfam war.nur allen diefen verfchiedenartigften 
Stilweifen eine Umwandlung oder Franzöfifirung in höchft modernem Geifte. Der 
Naturalismus fand allerdings auch noch feine Vertretung in Frankreich, und zwar 
gerade in den koftbaren Juwelierarbeiten, allerdings nicht in fo brutaler Weife 
wie in Deutfchland, fondern mit gewiffer franzöfifcher Feinheit und Mäfsigung. 
Nicht ganz, aber doch nahezu zeigten die Goldfchmiedearbeiten Eng- 
lands, diejenigen in Metall wie die in Juwelen, diefelbe Vielfeitigkeit wie dıe 
Frankreichs, aber während auf die letzteren der franzöfifche Geift ein gemein- 
fames, wohl erkennbares Cachet gedrückt und fie fo zufeinem wahren Eigenthum 
gemacht hatte, blieben die englifchen Arbeiten getrennt und unvermittelt in 
ihrer Vielartigkeit. Man erkannte in der englifchen Ausftellung in den filbernen 
Tafelauffätzen, im Speife- und Theegefchirr, wie in Gold- und Edelfteinfchmuck 
den Reichthum des Landes und die Gröfse und den Umfang der Aufgaben, aber 
es war das Gute neben das Schlechte, das Fremdartigfte neben das Gewöhnliche 
geftellt, als ob kein Urtheil vorhanden fei über das, was gut oder fchlecht, was 
nachahmenswürdig oder zu vermeiden fei. Man fah Griechifches, Aegyptifches, 
Byzantinifches, Franzöfifches, Chinefifches, Japanefifches u. f. w., aber fehr wenig, 
von dem man fagen konnte: das ift englifch. Die langjährigen reformatorifchen 
Gefchmacksbeftrebungen in England haben aufserordentlich viel Anregung 
gewährt, aber wie auf anderen Gebieten, fo auch auf diefem noch keineswegs zur 
Klärung der Ideen geführt. 
Ganz anders ftehen die Dinge in Italien. Trotz der tiefen Verfunkenheit 
des Gefchmackes, welcher die gebildeten Claffen Italiens anheimgefallen waren, 
und ganz insbefondere auch die Kirche mit ihrem Bedarf an künftlerifchen und 
kunftinduftriellen Gegenftänden, trotz alledem hat fich in der italienifchen 
Induftrie viel gute Kunftarbeit traditionell erhalten, theils durch den Abfatz an 
die Fremden. theils durch das Schmuckbedürfnifs des Volkes. Beides ift der 
Goldfchmiedekunft zugute gekommen, hat ihr nicht blos immer einen eigen- 
thümlichen Charakter bewahrt, fondern hat fich auch als gute Vorbedingung
	        
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