Vergleichende Schlufsbetrachtung. 39
daher die italienifchen Siiberarbeiten für die Kirche heute find — und die welt-
lichen Gegenftände, die auf der Ausftellung fo gut wie nicht vertreten waren.
fcheinen kaum beffer zu fein — fo eigenthümliche, fo gute, ja zum Theil aus-
gezeichnete Seiten bieten die italienifchen Schmuckarbeiten. In ihnen liegt die
Stärke der heutigen italienifchen Goldfchmiedekunft. Sie ift es, welche zuerft
den antiken Schmuck wieder aufgenommen und, während Frankreich nur ein
neues Motiv der Mode daraus machte, ihn in aller feiner Schönheit und Feinheit
wieder zu erreichen trachtete. Mit diefem Goldfchmuck nimmt Italien vom rein
künftlerifchen Staudpunkt aus den erften Platz ein unter allen Concurrenten.
Es hat aber aufserdem feine eigenthümlichen Seiten im Filigran, in den gefchnit-
tenen Steinen, im Mofaik und in Korallen und feine eigentlichen Juwelierarbeiten
ftehen auch mit in erfter Linie.
Auch Rufsland behauptet in der Goldfchmiedekunf eine eigenthüm-
liche Stellung. Es will darin national fein, aber in diefem nationalen Charakter
wiederum modern. Es will nicht der Mode folgen, fondern feinen eigenen Kunt-
ftil haben und mit diefem allen modernen Forderungen genügen. Der Stil, von
wirklich nationalen Elementen, die aber der Baukunft angehören, auf die Gold-
fchmiedekunft übertragen, ift daher nur ein angenommener, ein künftlich natio-
naler. Er ift daher nicht frei von Fehlgriffen, ja er ift verkehrt in feinem Grund-
princip, und ermifcht fich mit verfchiedenen anderen Elementen. mit Naturalismus,
mit Rococo und Antike. Diefs ift der Charakter der rufffchen Goldfchmiedekunft
und er gilt gleichmäfsig für die Arbeiten in Silber, Gold und Edelfteinen, Byzan-
tinifche oder afıatifche Elemente find, wenn man von den Arbeiten aus dem Kau-
kafus abfieht, fehr wenig erhalten, und wo fie noch vorhanden find, wie in den
Silberniellen von Tula, da find fie im Begriff, unter moderner Art zu Grunde zu
gehen. Eine Tlaupteigenthümlichkeit diefer vermeintlich nationalen ruffifchen
Goldfchmiedekunft befteht in der reichlichen Verwendung von Email und bei den
Schmuckarbeiten von Edelfteinen. Daher bieten diefe ruffifchen Gegenftände
durchgängig ein fehr farbiges Aeufsere dar, wozu viel Vergoldung tritt. Das
bildet einen Hauptunterfchied von den modernen Silberarbeiten Europa’s, bei
denen Email und Vergoldung heute verhältnifsmäfsig felten find.
Ganz auf modernem Standpunkt ftehen die kleineren unter den genannten
Staaten Europa’s, obwohl fie wieder verfchieden unter einander find oder ihre
Hauptftärke in verfchiedenen Zweigen liegt. Die Schweiz hat ihre Stärke in
den Schmuckgegenftänden von mehr currenter Art und diefe folgen franzöfifchen
Vorbildern. Das reiche Holland fchmückt feine Tafel mit Silbergefchirr und
auch diefes lehnt fich an die gewöhnliche franzöfifche Art an. Nur Dänemark
hat mit vorwiegender Hinneigung zur Antike, die fich ebenfowohl im Schmuck
wie im Silbergeräth ausfpricht, einen eigenthümlichen Charakterzug.
Von allen Staaten zeigt Oefterreich am beften und deutlichften den
Uebergang, in welchem fich heute der Gefchmack und insbefondere die Gold-
fchmiedekunft befindet. Die Reformbeftrebungen unferer Zeit haben vielleicht
nirgends fo fefte und fichere Wurzeln gefchlagen, aber man fieht auch deutlich,
wie tief und wie weit diefer Einflufs geht. Je mehr Intelligenz herrfcht, je ent-
fchiedener ift der Einflufs, je gelungener find die Refultate. Es ift in der That
eine Reform der Intelligenz, die von oben nach unten geht. Die Spitzen find
davon ergriffen, die grofse Menge nochnicht. Es mufs dasLicht, wie die Morgen-
fonne, von den Höhen in die Thäler und auf die Flächen herabfteigen, mufs fie
erleuchten und erwärmen.
Die Ausftellung Oefterreichs in der Goldfchmiedekunft betheiligte fich an
allen drei Zweigen, die wir befprochen haben, quantitativ vielleicht gleichmäfsig,
aber qualitativ in fehr ungleicher Weife. Im Allgemeinen gemeffen, ftand der
gewöhnliche currente Goldfchmuck weit hinter den beiden anderen Zweigen,
den Silberarbeiten und dem Juwelenfchmuck, zurück. Damit foll aber nicht gefagt
für eine Erhebung diefes Kunftzweiges in unferen Tagen erwiefen. So fchlecht