Full text: Waffen mit Ausnahme der Kriegswaffen (Heft 44)

  
  
WABEFEN.MIT AUSNAHME. DER KRIEGH 
WAFFEN. 
(Gruppe VII, Section 3.) 
Bericht von 
JOHANN NEWALD, 
Director der k. k. Forflakademie in Mariabrunn. 
So wie die Erfindung des Schiefspulvers und die daraus hervorgehende Ver- 
wendung der Feuergefchütze grofse und wichtige Reformen in der früheren Kriegs- 
führung herbeigeführt haben, ergaben fich daraus zugleich eben fo weitgehende 
Veränderungen an den im Gebrauche geftandenen Schutz- und Angriffswaffen. 
Wenn wir einerfeits die hohe Ausbildung und Achtung berückfichtigen, in 
welcher der Bogen und die Armbruft — als die.-ferntragenden Waffen jener Zeit- 
ftanden, und dagegen die untergeordneten Erfolge erwägen, welche die Feuer- 
gefchütze in der Periode ihres erften Auftretens, in Folge ihrer geringen Treff- 
fähigkeit, der höchft fchwerfälligen Handhabung, ihrer langfamen Ladweife, der 
Unficherheit der Entzündung u. f. w. erzielten, fo müffen wir darüber ftaunen, 
wenn fich dennoch die Verwendung derfelben unaufhaltfam über ftets erweiterte 
Kreife ausbreitete, und fchliefslich nahezu alle Syfteme der Kriegs-, Prunk- und 
Jagdwaffen vollftändig umänderte. 
Der Gebrauch der Plattharnifche, deren Blüthezeit die Periode von 1400 
bis 1600 ift, fällt mit der Entwicklung der Feuergefchütze zufammen. Der 
Ritter glänzte, „de cap en pied“, eine ftarre Bildfäule von Stahl. Eine gleiche Pflege 
und Aufmerkfamkeit wurde der Ausftattung und Rüftung des Pferdes zugewendet. 
Allein nicht blofs für den Kampf hatten diefe Rüftungen Bedeutung, 
ihre Träger waren damit angethan bei Aufzügen und Gelegenheiten des gröfsten 
Prunkes und der reichften Prachtentfaltung. 
Durch die künftlerifche Behandlung und ihre Ausftattung wurden nicht 
nur die Rüftungen, fondern eben fo fehr ihr Zugehör an Schildern, Schwertern, 
Streitkolben u. f. w. häufig wahre Luxusgegenftände. 
Die gröfsten Künftler ihrer Zeit lieferten Entwürfe und Zeichnungen oder 
betheiligten fich bei der Anfertigung folcher Waffenftücke, welche vielfach als 
Kunftwerke erften Ranges anerkannt werden müffen. Michelangelo cifelirte 
eine Rüftung für Julius von Medicis, Benvenuto Cellini, A. Dürer, Wilh. Sufen- 
hofer in Innsbruck, Filipo Nigroli uud feine Brüder, Bernardo Civo, der Mai- 
länder Hieronimo Spacini und Hans Lenker zu Nürnberg verdienen unter vielen 
Andern befonders genannt zu werden. 
Die allerdings fehr langfam fich vollziehende Entwicklung der Feuer- 
gefchütze, namentlich der Präcifionsgewehre, war zunächft Urfache, dafs von den 
vollen Rüftungen Stück für Stück abgelegt wurde, fo dafs fchliefslich nur der 
Kürafs und der Helm zurückblieben. Die Rüftungen und ihr Zugehör, welche 
durch zwei Jahrhunderte reiche Gelegenheit zur Entfaltung einer grofsen Kunt- 
thätigkeit geboten hatten, find jetzt nur noch Gegenftände archäologifcher 
Studien und Zeugen einer höchft vollendeten Kunfttechnik, deren Gebiet zu 
beftehen aufgehört hat. 
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