2 Wilhelm Flattich.
weiterer Hauptvortheil, welchen die Bautifchlerei durch die Mitwirkung der
Architekten erlangte, liegt darin, dafs die Proportionen und Gliederungen der
| einzelnen Theile nach architektonifchen Regeln gebildet wurden, wodurch die
Gegenftände an und für fich einen gröfseren Werth erhalten als folche, bei denen
| der Form keine Beachtung gefchenkt wird.
Die Vortheile, welche die Bewohner eines Haufes geniefsen, deffen Tifch-
lerarbeiten praktifch, dauerhaft und harmonifch ausgeführt find, deffen Fenfter
der Witterung trotzen, deffen Thüren gut fchliefsen, deffen Fufsböden weder mit
klaffenden Fugen durchzogen, noch mit aftigen Erhöhungen befäet und deffen
| Wände an den Stellen, welche fich leicht abnützen, durch in paffender Form
IN angebrachte Verkleidungen gefchützt find, find durch ausgeführte Bauten erkannt
worden; man fühlte, dafs nicht jedes Holzmateriale tauglich, nicht jede Arbeit
brauchbar ift und nicht jede Fenfter-, Thür- und Fufsboden-Anlage für jeden Fall
pafst. Diefe Einficht verfchaffte den Arbeitern, welcheihr Gefchäftrichtig und folide
betreiben, den Vorzug und ermöglichte, Preife zu erhalten, welche den Leiftungen
entfprechen, während in früherer Zeit häufig die beften Arbeiten mit der
unfolideften concurriren mufsten und die erftere öfters durch die letztere verdrängt
wurde.
Das Verlangen nach folider Bautifchlerei wurde in den vergangenen Jahren
ein fo aligemeines, dafs Maffenerzeugungen nicht nur von einfachen, fondern
felbft mit nicht unbedeutendem Luxus ausgeftattete Tifchlerarbeiten nöthig
wurden.
Die Nothwendigkeit der Maffenerzeugniffe führte einerfeits auf die Anwen
dung von Mafchinen zur Bearbeitung des Holzes, andererfeits auf die Anlage
grofser Werkftätten, „Tifchlerfabriken“, um den Anforderungen entfprechen zu
können.
Wie jedes Gewerbe, welches eine ausgedehnte Anwendung findet, fo erhält
auch die Bautifchlerei durch die Maffenerzeugung die Mittel zu ihrem Empor-
! kommen, indem fie derfelben nicht nur die nöthigen Summen zur reichlichen
| Bezahlung der Arbeiter, fondern auch die Mittel zur Ausbildung ihrer Schüler
liefert. Die Tifchlerei, fpeciell die Bautifchlerei, liefert hiefür die fchlagendften |
Beweife; an Stelle der früheren Meifter, welche mit wenig Mitteln und wenig
Gefellen arbeiteten, findet man heute vielfach Etabliffements, deren Admini-
ftration unter der Leitung von wiffenfchaftlich und technifch gebildeten
Männern fteht.
Die Bautifchlerei befchäftigt fich der Hauptfache nach mit der Herftellung
von Fenftern, Thüren, Verfchalungen und Fufsböden aller Art. Die Aufgabe der
Fabrication befteht darin, das Material in folcher Weife zu verwenden und die 8
einzelnen Theile derart zufammenzufügen, dafs die Gegenftände dem Werfen %
und Reifsen des Holzes nicht mehr unterliegen; Flächen werden defshalb ent-
weder aus fchmalen, einzelnen Brettchen zufammengefügt, oder aus Rahmen und
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Füllungen gebildet.
Der Werth der Tifchlerarbeiten hängt von der angewendeten Holzgattung,
von der Art der Zufammenftellung der einzelnen Theile und von dem Plane, nach
welchem die Gegenftände gefertigt find, ab.
Tifchlerarbeiten, wie Fenfter und Thüren, welche bewegliche Theile
erhalten, ftehen im engen Zufammenhange mit der Schlofferarbeit, welche die
Beweglichkeit vermittelt; bei der Projedtirung, owie bei der Beurtheilung folcher
Tifchlerarbeiten ift das anzuwendende oder angewendete Syftem der Schloffer-
arbeiten genau zu erwägen.
Die verfchiedenen Syfteme der Fenfter- und Thürenconftrudtionen, welche
in verfchiedenen Ländern feit langer Zeit beftehen, haben fich im Allgemeinen bis
heute erhalten; fie bafiren hauptfächlich auf der Art der Schlofferarbeiten. Während
man in Oefterreich und Deutfchland für beffere Arbeiten einen grofsen Werth
darauf legt, die Schlofferarbeiten, Schlöffer, Riegel und Fenfterverfchlüffe foviel