Schwefelfarbstoffe.
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Farbstoff als Cachou de Laval in den Handel brachten; mit diesen
Farbstoffen erzielte man auf ungebeizter Baumwolle echte braune und
graue Färbungen von sehr billigem Preise. Im Jahre 1887 wurde dann
von Green das Primulin entdeckt, welches durch Erhitzen von p-
Toluidin mit Schwefel auf hohe Temperatur entsteht, eine bereits früher
von Merz und Weith, wie auch von Dahl & Co. studierte Reaktion.
1893 griff Vidal!) auf die Cachou de Laval-Farbstoffe zurück, indem
er reine Benzol- und Naphthalinabkömmlinge mit Schwefel und Schwefel-
alkali verschmolz. Er erkannte die große Tragweite seiner Erfindung,
auch seine Versuche die Konstitution der Verbindungen zu erklären,
sind wohl im wesentlichen als gelungen zu bezeichnen. Nach seinen
Angaben ließen sich braune, gelbbraune und schwarzbraune Färbungen
herstellen.
Bei der nunmehr einsetzenden geradezu fieberhaften Tätigkeit
wurde im Laufe der Jahre so ziemlich jeder zugängliche organische
Stoff der Schwefelschmelze unterworfen.
Vidal zeigte ferner, daß man aus Aminophenolen und Dinitro-
phenolen schwarze Farbstoffe erhalten kann. Im Jahre 1897 wurde
zum ersten Male ein Diphenylaminderivat zur Herstellung von Schwarz
[Immedialschwarz (C)] verwandt, ihm folgten die blauen Schwefel-
farbstoffe und mit dem Jahre 1900 wurden erstmalig Chinonimine
[Immedialreinblau (C)] als Ausgangsstoffe benutzt; sie haben seitdem
ihren unbestrittenen Platz behaupten können. Auch die Methoden
waren inzwischen fortgeschritten. Von der einfachen Schwefelung aus-
gehend, lernte man die Verfahren unter Anwendung geeigneter Lösungs-
mittel kennen, ferner die Anwendung von Druckschmelzen, wodurch
man reinere und kräftigere Farbstoffe erhielt. Rötlichere, allerdings
technisch nicht sehr wertvolle Farbstoffe konnten erst erhalten werden,
als man Azinfarbstoffe schwefelte, rein gelbe mit dem Jahre 1903 durch
Schwefelung von m-Diaminen. In neuester Zeit wurde durch Ver-
schmelzen von Carbazol-chinoniminen das Hydronblau hergestellt,
welches an Echtheit dem Indigo den Rang abläuft.
Konstitution. Wie aus dem Vorstehenden schon ersichtlich, lassen
sich bei der Art der Darstellung der Schwefelfarbstoffe, nämlich einer
recht gewaltsamen Einwirkung von Polysulfiden auf die verschiedensten
organischen Verbindungen und bei den physikalischen Eigenschaften
der Schwefelfarbstoffe weder experimentell ganz sicher bewiesene For-
meln für die einzelnen Klassen, geschweige denn bestimmte Formeln
für jeden einzelnen Farbstoff aufstellen. Immerhin ist das Dunkel, das
lange Zeit über die Konstitution der Schwefelfarbstoffe herrschte, ein
wenig gelichtet, so daß mit einiger Bestimmtheit behauptet werden darf,
daß die meisten Schwefelfarbstoffe entweder Thiazin- oder Thiazolringe
enthalten, möglicherweise manche auch beiden Klassen angehören.
Der nächstliegende Gedanke wäre, die Einfügung einer oder mehrerer
Sulfhydrylgruppen (SH) in den der Sulfidschmelze unterworfenen Kern
1) Über den Anteil, der R. Bohn an dem Erfindungsgedanken als solchem
gebührt, vgl. P. Julius und M. Kunz: Nachruf auf R. Bohn. Ber. d. Dtsch.
Chem. Ges. Bd. 56; A. $. 22. _1923.