Full text: Künstliche organische Farbstoffe (1. Band)

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4 Einleitung. 
scheiden sich solche Verbindungen in nichts von farbigen, da sie so 
gut wie diese absorbieren, nur in einem anderen. spektralen Gebiet. 
Gelingt es durch Einführung gewisser Atome oder Atomgruppen in 
das Molekül einer Verbindung, welche in einem dem Auge unsichtbaren 
Spektralgebiete absorbiert, die Absorptionsbanden in den sichtbaren 
Teil zu verlegen, so ist der Fall gegeben, daß aus einer farblosen, aber 
schon absorbierenden Verbindung durch Änderung der Konstitution 
eine farbige entsteht. 
Im einfachsten Fall führt dies zu einem Vorrücken von Absorptions- 
banden aus dem Violett über Grün und Gelb nach Rot, wobei die Farbe 
der Verbindung von Gelb über Rot, Violett nach Grün sich wandelt. 
Sind die Absorptionsbanden im Rot angelangt, so können bisher im 
ultravioletten Gebiet stehende Absorptionsbanden bei weiterer Änderung 
der Konstitution nach Violett usw. verschoben werden, so daß die 
Farbe der Verbindungen gelb erscheint (Theorie vom Gelb 2. Ordnungt). 
Die hier geschilderte ideale Reihenfolge kann durch das Zusammen- 
treffen in verschiedener Richtung wirkender Konstitutionsänderungen 
gestört werden, was meistens der Fall sein wird. 
Man nennt nach Schütze? den Übergang in der Richtung Gelb 
nach Grün Farbvertiefung, denjenigen von Grün nach Gelb Farb- 
erhöhung, diejenigen Gruppen, welche farbvertiefend wirken, auch 
bathochrome, die farberhöhenden hypsochrome. 
Demnach ist die Farbigkeit einer Verbindung, wie sie dem Auge 
erscheint, nur die Folge einer allgemeinen Eigenschaft chemischer Ver- 
bindungen Lichtstrahlen zu absorbieren. Verbindungen, welche im 
Ultrarot oder Ultraviolett absorbieren, sind daher nur in der Lage der 
Absorptionsstreifen oder Bänder von farbigen verschieden und im 
physikalischen Sinne als farbig zu betrachten, trotzdem sie unserem 
Auge als farblos erscheinen. Es gilt daher nicht, den Zusammenhang 
zwischen Farbe und Konstitution, sondern den Zusammenhang zwischen 
Absorption und Konstitution zu erforschen. Für die Farbstoffe jedoch, 
von welchen in diesem Buche die Rede sein soll, kommt als ein- 
schränkende Bedingung hinzu, daß die Absorption solcher Verbindungen 
im sichtbaren Teil des Spektrums liegen muß. 
Die wichtigste Beobachtung, welche in dieser Hinsicht gemacht 
worden ist, stammt von C. Graebe und C. Liebermann?: 
„Wenn man die gefärbten? Metallsalze farbloser organischer Säuren 
unberücksichtigt läßt, so ergibt sich die allgemeine Regel, daß alle 
gefärbten? organischen Verbindungen, soweit sie überhaupt in bezug 
auf ihr Verhalten gegen Reduktionsmittel untersucht sind, durch diese 
entfärbt werden. Hierbei nehmen sie entweder direkt Wasserstoff auf, 
ohne daß dabei andere Elemente aus dem Molekül austreten, und dies 
ist der allgemeine Fall, oder es wird Sauerstoff durch Wasserstoff er- 
1 Piccard: Ber. dtsch. chem. Ges. 46, 1845 (1913); 59, 1653 (1926). — Piec- 
card, de Montmallin: Helvet. chim. Acta 6, 1011 (1923). — Piccard: J. amer. 
chem. Soc. 48, 2352, 2355 (1926). — ? Es erscheint zweckmäßig, diese Bezeich- 
nung — im Gegensatz zu den Wünschen einzelner Forscher — beizubehalten. 
3 Ber. dtsch. chem. Ges. 1, 106 (1868). — * Gemeint sind ‚farbige‘ Metallsalze 
bzw. Verbindungen. 
  
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