Indigo. 219
An der Tatsache, daß der Indigo in Lösung oder Dampf mono-
molekular ist, scheint ihm kein Zweifel zu bestehen. Es müssen also
intramolekulare Kräfte für den starken Zusammenhalt der einzelnen
Moleküle vorhanden sein, weshalb sich auch die einfachen Umsetzungen
der Carbonyl- und Iminogruppen (Alkylierung, Acetylierung, Oxi-
mierung usf.), wenn überhaupt nur mit Gewalt oder auf Umwegen! er-
zwingen lassen. Aus einer eingehenden Untersuchung solcher Um-
setzungen zieht nun Madelung den Schluß, daß Carbonyl- und Imino-
gruppen unter Bildung fünfgliedriger Ringe zusammentreten, wodurch
die „Maskierung‘‘ dieser Gruppen wie auch die Festigkeit des Moleküls
genügend erklärt wird (J]).
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HN— HN-:-0—C
Es scheint dabei nebensächlich, ob man diesem Gedanken in Form
der vorstehenden Valenzformel oder in Gestalt einer Nebenvalenz-
formel? (II) Ausdruck verleiht. Damit entspricht die stereochemische
Konfiguration auch der Transform, Indigo ist also ein Abkömmling der
farbigen und stabilen Modifikation des Dibenzoyläthylens.
R. Kuhn? stellt den Indigo als hexacyclischen zentrischen symme-
trisch gebauten Quadrupol dar (III). Die Formel, welche auch durch
Röntgenanalyse? gestützt ist, erklärt ebenfalls, warum nur ein Indigo,
und zwar in der Transform, bekannt ist. Mit dieser ne
Auffassung verträgt sich die Tatsache, daß der HN 92-6
Indigodampf rot ist und Lösungen in gewissen on yS
Lösungsmitteln, wie Dekalin, die gleiche Farbe zeigen. \ N 2 Nu Sg 2 y
Dort ist der Indigo monomolekular, während blaue CO NH
Lösungen Assoziation (in p-Toluidin doppeltes Mole-
kulargewicht) zeigen. Die Assoziation wird durch die polare Formel
verständlich gemacht. Der Indigo läßt sich nach Kuhn nicht durch eine
einzige Formel erklären, die alte Formulierung v. Baeyers kann dem
roten monomolekularen Indigo zugeordnet werden.
Synthesen des Indigos. Die erste Darstellung künstlichen Indigos
DE +
wurde im Jahre 1870 vollzogen, als v. Baeyer? aus Isatin wieder
Indigo erhielt. Kurze Zeit nach der Veröffentlichung hat Engler durch
Erhitzen von nitriertem Acetophenon mit Natronkalk und Zinkstaub
Indigo in Spuren erhalten. Er konnte jedoch bei einer erneuten An-
stellung dieses Versuches Indigo nicht wiedererhalten, av) 2
und erst 1895 gelang dies, als reines o-Nitroaceto- me9-CH,
phenon n mit Zinkstaub behandelt wurde. NO
a hzole, Pickard: Ber. dtsch. chem. Ges. 31, 1252 (1898). — Binz, Lange:
Ber. dtsch. chem. Ges. 46, 1691 (1913). — Madelung: Ber. dtsch. chem. Ges. 46,
2259 (1913). — Grandmougin, Dessoulavy: Ber. dtsch. chem. Ges. 42, 3636,
4401 (1909). — Liebermann, Dickhut: Ber. dtsch. chem. Ges. 24, 4130 (1891).
— ? Auch Scholl hat diese Formel schon vorgeschlagen. — ?® Kuhn: Natur-
wiss. 20, 618 (1932). — * Reis, Schneider: Z. Kryst. Mineral. 68, 543 (1928).
— 5 Bruneck: Zur Geschichte der Indigofabrikation. Ber. dtsch. chem. Ges. 33,
Sonderheft, Anlage V, LXXI (1900).