94 Erſter Theil. Erſtes Buch. Die Hexenprocefſſe in proteſtantiſchen Territorien.
eine Urphede verfaßt, von der Angeklagten beſ<woren, und dieſe alsdann
entlaſſen. Zwei Jahre ſpäter, bei Gelegenheit der Kirchenviſitation, wird
wiederum gegen die Sarjcher geklagt, als fei fie verdächtig. Dr. Fleiner,
wiederum confultirt, will die Meinung nicht negiren, als jei fie vom
Teufel regiert, Sie wird eingezogen und bald wieder entlaſſen. Weiter
gepflogene Unterſuhungen erneuerten jedoh den alten Verdacht. Sie wird
zum dritten Mal eingethürmt, von den Geiſtlichen beſuht, welche ihr ein
gutes Zeugniß geben.
Dem ſ{loß ſi< au Dr. Fleiner an, daß fie weder ausgewieſen noh
torquirt werden dürfe, und ſo wurde ſie auf Grund ihrer erſten Urphéde
wieder entlaſſen. Das arme Weib hatte aber keine Ruhe. Jm Jahre 1672
wird fie auf Antrag Dr. Fleiner's wegen erneutem böſen Geſchrei zur
peinlichen Frag verurtheilt, troy der heftigſten Folter betheuert fie ihre
Unſchuld und wird au diesmal entlaſſen.
Die im 30 jährigen Kriege eingeriſſene Sitten- und Ruhhloſigkeit
hat au< ihre Spuren in den Hexenproceſſen hinterlaſſen. Ein Hans
Wild, Schneider, if ein gottlos und wilder Menſh, mißbraucht ſelbſt
feine Stieftöchter, iſt ſchandbar in Reden und Thaten, ein arger Freſſer
und Säufer, der im Rauſche wie ein wildes Schwein drein fährt. Jn
einem jolden Rauſche, 15. Januar 1630, gibt er an, er habe den
Teufel geſchen und will ih hängen. Er wird deshalb verhört in Gegen-
wart des Pfarrers, des Schultheißen und zweier Richter. Er leugnete,
mit dem Teufel zu thun zu haben; jedo<h mit der Folter bedroht, ges
ſtand er mii dem Teufel verkehrt zu haben. Am 6. Februar widerrief
ex jedo< das zweimal Bekannte; er habe es aus Furt vor der Folter
geſtanden. Als er auf ſeinem Widerrufe beſtand, ſhi>te man einen
Geiſtlichen zu ihm, der ihn „ernſtli<h und beweglich erinnerte, die Wahr-
heit anzuzeigen, Gott dem Allmächtigen die Ehre zu geben, ſein Gewiſſen
zu reinigen und ſeine Seligkeit zu betraten.“ Dieſe Mahnung ver-
fehlte ihre Wirkung niht. Er beſtötigte das früher Bekannte von
Neuem und vermehrte es no< mit Zuſäßen, wurde am 17. Februar zum
Tode dur das Schwert und Verbrennung der Leiche verurtheilt.
Ein großer Hexenproceß, in welchem eine beträchtliche Anzahl von
PVerjonen verwidelt war, jpielte in den „Jahren 1662—65. Dr Pfaff
leitet ihn her aus den traurigen Folgen des 30 jährigen Krieges. Nach
ihm herrſchten Unwiſſenheit und Aberglauben unter allen Ständen, vers
bunden mit größter Sittenloſigkeit und jelbft den unnatürlicäften Laftern.
Daraus entſprang eine ebenſo große Gottloſigkeit , welche im Verein mit
Aberglauben und Sittenloſigkeit die traurigſten Folgen hervorbrachte.
„Nie zuvor und na<hher wimmelte es überall ſo ſehr von
Unholden beiderlei Geſ<hleŸYts, als gerade zu Anfang der