96 Erſter Theil. Erſtes Buch. Die Hexenproceſſe in proteſtantiſchen Territorien.
„ſpra< mit ihr ſ{ärfer, als er je einem Menſchen zugeſprochen“; ſie aber
blieb ruhig, Sprach ihm nach, ich mwiderfage dem Teufel, und betete eifrig.
Als ſie ihn mit aufgehobenen Händen fragte: Herr Pfarrer, warum
haltet ihr mid) denn für eine Hexe? ſo wußte er keinen vernünftigeren
Grund dafür anzugeben, als das Gerücht; ihre, ihm beim Abſchied
gebotene Hand {lug er aus mit den Worten: J< gebe keiner Un-
holdin die Hand!
Beim nächften Verhör wurde ſie ſtark von Müden geplagt, welches
ſie dur< Kopfiütteln abmwehrte. Daraus \{loſſen die Richter, der
Müdenkönig Beelzebub laſſe ihr keine Ruhe. Als fie dazu ſ{wieg,
wurde e3 ihr al3 Schuldbewußtfein auzgelegg. Wie Vorgenannte, wurde
au< ihre Schwefter Margaretha entjeglich gefoltert. Sie betheuerte bei
Gott und ihrem Gewiſſen, daß man ſie zwinge auf fi) zu lügen. Der
71 Jahre alte Hans Harſh, gewöhnlich Hanſenhans genannt, wird auf
die Anzeige hin verhaftet, er ſei, als der Pfarrer von Unholden predigte,
aus der Kirche herausgelaufen und habe ſi< hängen wollen. Man ging
ſo weit, ihm dur Anhängen von 2 Centnerſteinen und Anlegen von
Daumſchrauben zu Geſtändniſſen zu bringen, die er gleich nachher wider
rief. Später geſtand er, ſeine Gattin und ſeine zwei Kinder umgebradt,
mit ſeiner Tochter Anna Maria als Kind Blutiſchande getrieben zu
haben, welches das jezt 15 jährige Mädchen beſtätigt. Die 43 jährige
Gohlanna wird vom 20. bis 27. November elf Mal verhört über Char-
freitagskinder, Wechſelbälge, Mondkälber, Kielfröpfe u. |. w., welches ſie
wohl verneinte, aber vieles andere zugeſtand. Sie wurde geiſtig ſo ge-
peinigt, daß fie zulegt um Gottes Willen bat, man ſolle ein Ende
magen, denn länger könne fie es nicht aushalten. Noch werden einige
Perſonen genannt, melden man Gentnerfteine beim Aufziehen an die
Füße band nebſt Anlegung der ſpaniſchen Stiefeln. Von den Verur-
theilten wurden verſchiedene auf dem Wege zum Hochgericht mit glühenden
Zangen an Bruſt und Armen zweimal gezwi>t. Wenn, wie es ſih er-
eignete, das in einem Sä>chen angehängte Pulver nicht explodirte, er=
fannten darin „geiſtliche und weltliche" Zufchauer Gottes gerechte Strafe
wegen mangelhafter Buße und Neue. Der Tübinger Kaplan Tobias Wagner,
welher 21 Jahre lang Prediger in Eßlingen geweſen, ermahnte ben
Nath, daß er die Verbrecher niht zum Feuertode, ſondern nur zu Ente
hauptung verurtheile; denn ſol<he Leute würden meiſt ſhon in früher
Jugend verführt und hätten dann keinen freien Willen mehr , ſondern
hingen allein vom Teufel ab. Die von Dr. Pfaff in dieſem großen
Hexenproceß mitgetheilten Namen von Jnquiſiten erreihen die Zahl von
ungefähr 70, worin aber nicht alle jene einbegriffen find, welche in den
3 Jahren in Unterfuhung wegen Zauberei geſtanden haben. Die Zahl