Full text: Der Hexenwahn vor und nach der Glaubensspaltung in Deutschland

  
  
142 Erſter Theil, Drittes Buh. Die Folter oder Tortur. 
Bis zur Hälfte unſers Jahrhunderts verlangte es der Ton, und er- 
forderte es die Mode, daß Jeder gebildet ſein wollende ſi<h bei dem Worte 
„Spaniſche Jnquiſition“ bekreuzte. Doh bei Gebildeten kann jeht 
von ſolhen Schauermären keine Rede mehr ſein. Wie Biſchof Hefele in 
ſeinem Werke »Cardinal Ximenes« näher na<hgewieſen hat, war die 
Handhabung der Folter vor dem Tribunal der ſpaniſchen Jnquiſition 
eine viel mildere und menſchlihere, als jene, welche dur< die Carolina 
erlaubt und bei den deutichen Civilgerichten gebräudhli war. Die Tor= 
tur durfte nicht wiederholt werden. Die Kerker waren niht jene ſhre>= 
liche, finſtere, kalte, von Ungeziefer wimmelnde Verließe, wie wir ſie in 
Zeiten ber Herenprocefje fennen gelernt. Was die Dauer der Fnquiſition in 
Spanien betrifft, jo ruft Hefele das Zeugniß Llorrentes an, 1756—1823, 
welcher berichtet: „Es iſ gewiß, daß ſeit langer Zeit von der Jnquis 
fition nicht mehr auf die Folter erkannt worden iſt, ſo daß man ſie heut- 
zutage al3 wirklich abgeſchaf anſehen kann.” 
Schon 683 mar auf einem National-Concil zu Toledo das Anathem 
auf jede Art von Tortur oder Erpreſſung von Geftändniffen gejegt wor- 
den, nad dem Zeugniſſe Plank's !). Jn gleicher Weiſe hatten die 
Stände von Aragon die Tortur abgeſchafft 1325. 
Daß der römiſche Stuhl mit der ſpaniſchen Fnquiſilion niht immer 
einverſtanden war, beweiſen die häufigen beiderſeitigen Conflicte. Paul V. 
und Urban VIII. haben alle Mittel in Bewegung gejeßt, den berühmten 
Dominikaner Thomas Campanella aus den Händen der Jnquiſition zu 
befreien, was erft legerem gelang 1628. Jn gleicher Weiſe war 1567 
der Erzbiſchof Carranza aus dem Gefängniſſe der Jnquiſition befreit wor- 
den, naddem Pius V. dem Könige Philipp von Spanien den Bann 
angedroht hatte. Das Nähere über Einführung, Geſtaltung und Modi- 
fication der Folter im canonifchen Rechte ift nadhzufehen bei Hergenröther, 
Albertus und Gams ?). Es ſei nur hier das Eine bemerkt: das 
canonifhe Recht wollte in Criminalfällen die Frauen keineswegs als 
zeugnißfähig gelten laſſen). 
1) Geſch. dex Hriftl. Gefellfhaft3:Verfafjung II. 380 und Albertus, Social- 
Politik d, K. 284. 
2) Hergenröther kath. Kirche u. chriſtl. Staat 542—616; Albertus, Social- 
Politik 264; Gams zur Geſchichte der ſpan. Staats-Fnquiſition Regensburg 1871. 
3) Prosp. Forinac: de testibus quaestio 58 Nr. 21, ſagt, das ſei die 
größte Wahrheit und die verbreiteſte Anſicht, daß eine Perſon unter 20 Jahren 
in Criminalſache kein Zeugniß ablegen dürfe. Pos. 204 responsum juris, Cöln 
1708 ©. 37.
	        
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